PREDIGT ZUM CHRISTKÖNIGSSONNTAG (A) 2005

gehalten im Konvent der Ritaschwestern, Würzburg, am 20.11.2005 von Cornelius Petrus Mayer OSA

 

Vorspann

Der Christkönigssonntag ist ein problematisches Fest, denn es wurde 1925 gerade zu jener Zeit eingeführt, als Gesellschaften sich zu Recht gegen monarchisch absolutistische Regierungsformen zur Wehr setzten. Anhänger der liturgischen Bewegung hätten es lieber am 6. Januar mit dem Fest der Epiphanie gefeiert.

Ich denke jedoch, der letzte Sonntag des Kirchenjahres ist ein keineswegs unangemessenes Datum für dieses Fest. Lenkt doch die Kirche in dem zu Ende gehenden liturgischen Jahr unsere Aufmerksamkeit auf jenes andere Ende, auf das alles Geschehen zuläuft, in das auch die Geschichte der Kirche als Christi Leib einmündet.

Die Präfation unserer Messe beschreibt diesen Endstand in hymnischer Sprache treffend als ‹Reich der Wahrheit und des Lebens›, als ‹Reich der Heiligkeit und der Gnade›, als ‹Reich der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens›.

Unsere Lesung aus dem Ersten Korintherbrief – in der Predigt soll davon die Rede sein – spricht von diesem Ende.

Predigt.

In der Apostelgeschichte des Neuen Testamentes wird uns folgende kleine Episode erzählt: Als der Apostel Paulus in Athen das Evangelium verkündete, nahmen ihn einige auf den Areopag mit, wo die Athener die letzten Neuigkeiten besprachen. Dort gab es auch einen Altar mit der Aufschrift: dem unbekannten Gott.

Natürlich ergriff der Apostel die Gelegenheit, um aus der Sicht seines Evangeliums von Gott und der Welt zu reden – von Gott, der zur festgesetzten Zeit den Erdkreis richten werde, und zwar «durch einen Mann, den er bestellt und den er vor allen Menschen dadurch ausgewiesen hat, dass er ihn von den Toten auferweckte».

Als die Zuhörer «von der Auferstehung der Toten hörten», so fährt der Bericht weiter, «spotteten die einen, andere aber sagten: Darüber wollen wir dich ein andermal hören» (Apg 17,16-34). Daraufhin verließ der Apostel Athen in Richtung Korinth, wo er nach anderthalbjährigem Wirken eine blühende Gemeinde hinterließ.

Indes, in Korinth scheint es sogar Christen gegeben zu haben, die von einer Auferstehung der Toten ebenfalls nichts wissen wollten. Sie wollten das Evangelium lediglich auf das Nett-zueinander-sein, auf das Leben hier und jetzt, reduzieren. – Wäre dies alles, müsste man da am Evangelium nicht verzweifeln?

Gewiss begann Jesus seine Verkündigung mit dem lapidaren Satz: «Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahegekommen» (Mk 1,15). Sollte aber das, was wir tagaus und tag­ein nicht nur um uns, sondern auch in uns wahrnehmen, schon dieses ‹Reich› sein, von dem Jesus sprach? Ist etwa die pilgernde Kirche bereits jenes ‹Reich der Wahrheit und des Lebens, der Heiligkeit und der Gnade, der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens›, von dem die Präfation unserer Festmesse singt? Davon kann doch ernsthaft nicht die Rede sein!

Aus diesem Grunde wird der Apostel Paulus nicht müde, den Gläubigen einzuschärfen: So lange diese Welt besteht, gibt es die Sünde und den Tod. Dennoch hat sich in ihr seit der Auferweckung Christi von den Toten Entscheidendes zugetragen. Als Erster der von den Toten Auferweckten ist Christus der Inbegriff des Gottesrei­ches.

Es ist somit wichtig, zwischen der Welt, in der wir sind, und dem Himmel, wo er ist, zwischen Zeit und Ewigkeit zu unterscheiden. Das wussten die Kirchenväter, allem voran wieder Augustinus, der Welt und Zeit stets vom Himmel und von der Ewigkeit her bzw. auf den Himmel und auf die Ewigkeit hin in den Blick nahm und wohl deshalb so tiefsinnig über die Welt wie über die Zeit zu reden verstand.

Hier und jetzt sind wir ‹Kinder Adams›. Weil aber Christus, der Verkünder des ‹Reiches Gottes›, aus der Ewigkeit zu uns kam, darf sich unsere Perspektive auf dieses ‹Reich› nicht im Hier und im Jetzt erschöpfen. Denn Christus und die, welche zu ihm gehören, die, wie der Apostel im gleichen Brief an die Korinther lehrt, mit ihm zusammen ‹einen Leib› bilden, verbindet eine vorgegebene Ordnung.

Aus der Tatsache, dass dem Evangelium zufolge die Auferweckung von den Toten sich erst auf Christus erstreckt, sollen die Korinther und mit ihnen alle gläubigen Christen nicht folgern, für sie selbst gebe es keine Auferstehung.

Ganz im Gegenteil, gerade weil sie im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe jetzt schon, im Zustand ihrer Zeitlichkeit, zum ‹Leib Christi› gehören, deshalb sollen sie auch wissen, dass sie in der Ewigkeit erst recht zu ihm gehören werden. Das meint die Reihenfolge in der Epistel: zuerst ‹Christus, dann alle, die zu ihm gehören›.

Und nun kommt der Apostel vielsagend auch auf ‹Christi Herrschaft› zu sprechen, die letztlich freilich Gottes ureigene Herrschaft ist. Der Auferstehungsglaube des Neuen Testamentes steht und fällt mit der zu verkündigenden ‹Gottesherrschaft›. Ihre Errichtung ist nämlich das Ziel jener Geschichte, auf die nach dem Verständnis der Bibel alles Geschehen im Himmel und auf Erden brennpunktartig zuläuft.

Die letzten Verse unserer Epistel kleidet der Apostel deshalb geradezu in eine hymnische Sprache: Christus, der in die Welt kam – so der Text –, hatte den Auftrag, ‹jede Macht, jede Gewalt und Kraft›, die sich der göttlichen Ordnung widersetzt, zu vernichten. Auf diese Weise wird in Erfüllung gehen, wovon Maria im Magnificat sang: «Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind; er stürzt die Mächtigen vom Thron ... und er lässt die Reichen leer ausgehen» (Lk 1,51-53).

Um die Verkündigung dieses endgültigen Sieges, den der Messias für Gott erkämpft, geht es dem Apostel. An dessen Ende steht Gottes uneingeschränkte Herrschaft. «Denn er muss herrschen, bis Gott ihm alle Feinde unter die Füße gelegt hat. Der letzte Feind, der entmachtet wird, ist der Tod. Wenn ihm dann alles unterworfen ist, wird auch er, der Sohn, sich dem unterwerfen, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott herrscht über alles und in allem».

Das ist unser Glaube, das ist unsere Zuversicht, das ist das Fundament, auf dem wir zu stehen haben. Wohl deshalb ermahnt der Apostel im gleichen Brief seine Adressaten – und mit ihnen auch uns! –: «Wer steht, der sehe zu, dass er nicht falle!» (1 Kor 10,12).

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