ZENTRUM FÜR AUGUSTINUS-FORSCHUNG

AN DER JULIUS-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT WÜRZBURG

Predigt beim Treffen der „Abituria Münnerstadt 1949“

am 29.06.2003 in Weissenburg

Eine Predigt über die Eucharistie bei Augustinus anlässlich der Enzyklika von Johannes Paul II. "Ecclesia de eucharistia - Die Kirche gründet in er Eucharistie"

Cornelius Petrus Mayer OSA

 

Vorspann

Natürlich machte ich mir über das Thema der Predigt zu unserem gemeinsamen Gottesdienst Gedanken. Manches wäre da naheliegend: unser fortschreitendes Alter etwa, und damit zusammenhängend die Frage: Wohin gehen wir? Der kulturelle Wandel etwa, der an uns selbst nicht spurlos vorüberging, tangiert er nicht auch unser Selbstverständnis als Christen? Vielleicht doch die Ökumene, die uns schon immer ein Anliegen ersten Ranges war. Soll sie an der Feier der Eucharistie stagnieren, gar scheitern?

Wie Ihr wisst, stand sie, die Feier der Eucharistie, im Mittelpunkt der Diskussion auf dem diesjährigen ersten gemeinsamen Kirchentag in Berlin. Sie fand dort nicht statt, obgleich zahlreiche Teilnehmer sich danach sehnten.

Ich denke, die Ökumene gehört mit zum integrierenden Bestand unserer Klassengemeinschaft. Wohl nicht zuletzt aus diesem Grunde haben wir es uns nie versagt, die Eucharistie bei allen unseren Zusammenkünften zu feiern. Was liegt da näher, als sie selbst einmal thematisch zu machen?

Ich möchte deshalb unseren Wortgottesdienst auf die Lesung aus dem 11. Kapitel des Ersten Korintherbriefes, dem ersten schriftlichen Dokument über die Feier der Eucharistie in der frühen Kirche, beschränken und in der Predigt eine Deutung vornehmen, die uns leider fremd geworden ist, die aber immerhin die des hl. Augustinus war. Gerade für die Ökumene mag sie wegweisend sein.

In den Texten und Liedern und selbstverständlich auch in der Predigt soll sie zur Sprache kommen.

 

Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Korinther

Schwestern und Brüder!

Ich habe vom Herrn empfangen, was ich euch dann überliefert habe:

Jesus, der Herr, nahm in der Nacht, in der er ausgeliefert wurde, Brot, sprach das Dankgebet, brach das Brot und sagte: Das ist mein Leib für euch.

Tut dies zu meinem Gedächtnis!

Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch und sprach: Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut.

Tut dies, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis!

Denn sooft ihr von diesem Brot esst und aus diesem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.

Wort des lebendigen Gottes – Dank sei Gott.

Predigt

Papst Johannes Paul II. hat, wie Ihr wisst, zu den diesjährigen Kartagen eine Enzyklika über die Eucharistie veröffentlicht. Man mag über das darin Gesagte unterschiedlicher Meinung sein, eines wird man ihrem Verfasser nicht in Abrede stellen können: die Sorge um die zentrale und fundamentale Bedeutung der Eucharistie für unser Christsein.

«Ecclesia de eucharistia – Die Kirche lebt aus der Eucharistie», so lautet die Überschrift dieses Lehrschreibens, und schon sie, die Überschrift, ist ein Programm – nicht einfach ein Programm unter anderen auch, sondern das Programm des Christseins schlechthin.

Seit der Neuordnung der Liturgie rufen die das Abendmahl Christi Feiernden: «Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit», und dieser Ruf ist gleichsam eine nochmalige Verdichtung des Credos, des Glaubensbekenntnisses der Kirche.

Aus diesem Grunde hat die Kirche gerade dieses Sakrament von Anfang an mit viel Ehrerbietung und Ehrerweisung ausgestattet und vor jeglicher Profanierung zu schützen gesucht.

Jahrhunderte lang waren nicht einmal Katechumenen, geschweige denn Ungläubige, zur Feier der Eucharistie zugelassen. Selbst in Predigten sprach man nicht gern darüber. Der hl. Augustinus z.B. erwähnt sie oft nur mit der Andeutung: «norunt fideles – die Gläubigen wissen schon, was gemeint ist».

Allerdings – und dies ist für die frühe Kirche wieder kennzeichnend –, die Identifizierung der eucharistischen Gaben von Brot und Wein mit dem ‹Leib Christi› gehörte mit zum Kern der christlichen Unterweisung.

Was aber ist unter ‹Leib Christi› in bezug auf die Eucharistie zu verstehen? Das ist die entscheidende Frage, um die es stets ging.

Das älteste Dokument, das wir über die Feier der Eucharistie besitzen, ist, wie schon erwähnt, der Erste Korintherbrief. Der Apostels Paulus kommt darin auf Missstände beim eucharistischen Mahl zu sprechen und in diesem Kontext schrieb er die Sätze, die wir soeben als Verkündigungstext vernommen haben.

In diesen Sätzen spürt man bereits die liturgische Diktion, die feierliche Sprache der Verkündigung. Jedes Wort ist von Bedeutung. Da ist nicht von irgendeinem Menschen Jesus die Rede, sondern von Jesus, den Paulus den ‹Herrn› nennt. Über diesen Jesus gab es bereits zur Zeit des Apostels Paulus Hymnen, die in der Gemeinde zum Lobpreis eben des Herrenseins Jesu in einem ausschließlichen Sinn gesungen worden sind, wie jener aus dem Philipperbrief überlieferte, wonach Jesus Gott war, aber nicht daran festhielt, «Gott gleich zu sein, ... sondern sich erniedrigte ... bis zum Tod am Kreuz. Darum», so fährt jener Hymnus fort, «hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der jeden Namen übertrifft, damit vor dem Namen Jesu alle Mächte im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihre Knie beugen, und jede Zunge bekennt, Herr ist Jesus Christus zur Ehre Gottes des Vaters» (Phil 2,5-11).

Wie dies der Text unserer Lesung ebenfalls andeutet, zielen die eucharistischen Gaben auf den für uns hingegebenen Herrenleib hin. Dies bezeugen auch die Synoptischen Evangelien, die in ihrem Bericht über das Letzte Abendmahl Jesu Worte so wiedergeben, dass dieser die seinen Jüngern gereichte Speise und auch den Trank auf seinen bevorstehenden Tod bezogen wissen wollte. Das Brot wird als ‹Leib dahingegeben›; der Wein wird als ‹Blut für viele vergossen› und Matthäus fügt hinzu: «zur Vergebung der Sünden» (Mt 26,26-28; Mk 14,22-24; Lk 22,19-20).

Die eucharistische Feier ist somit ein ‹Gedenken› im Vollzug des Opfers Christi – nicht in dem Sinn, als würde Christus aufs Neue gekreuzigt, sondern im Sinne der Fortdauer seiner Hingabe, durch die er das Werk der Erlösung ein für allemal vollbracht hatte. Darum fügt der Apostel Paulus seinem Bericht über die ‹Einsetzung der Eucharistie› hinzu: «... sooft ihr von diesem Brot esst und aus dem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt» (1 Kor 11,26).

Indes, der Apostel Paulus lässt es bei dieser strikten Deutung der eucharistischen Elemente von Brot und Wein auf Christus, unseren Erlöser hin, nicht bewenden. Offensichtlich versteht er unter dem ‹Leib Christi› nicht nur den Mensch gewordenen Gottessohn, sondern auch die Kirche. Schon im nächsten Kapitel des gleichen Briefes an die Korinther verdeutlicht er diesen Sachverhalt, indem er schreibt: «Denn wie der Leib eine Einheit ist, doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich es viele sind, einen einzigen Leib bilden: So ist es auch mit Christus» (1 Kor 12,12).

Diese Sicht vom ‹Leib Christi› bezieht der Apostel sodann einige Sätze weiter auch auf die Eucharistie. «Ist der Kelch des Segens ... nicht Teilhabe am Blut Christi? Ist das Brot, das wir brechen, nicht Teilhabe am Leib Christi?», fragt er vielsagend, und er beantwortet diese für ihn offensichtlich wichtige Frage mit dem Bekenntnis: «Ein Brot ist es» und er fährt fort: «Darum sind wir viele ein Leib; denn (!) wir alle haben teil an dem einen Brot» (1 Kor 10,16f.).

Leider ist diese im Neuen Testament so ungemein klar verbriefte Sicht der Eucharistie innerhalb der Christenheit im Verlauf der Jahrhunderte ins Hintertreffen geraten, um nicht zu sagen, weithin verloren gegangen. Aber die erwähnte Enzyklika geht unter anderem in Kürze auch darauf ein, und es wäre wünschenswert, wenn es der Christenheit gelänge, sie wieder zu verlebendigen.

Der hl. Augustinus, auf den sich Johannes Paul II. in seinem Schreiben ausdrücklich beruft, hat sich diese paulinische Sicht der Eucharistie sozusagen ausschließlich zu eigen gemacht. Das Sakrament der Eucharistie bildete nicht selten das Kernthema seiner Osterpredigt. Versetzen wir uns im Geiste in seine Basilika.

Staunend werden die Neugetauften den Verlauf der Feier, an der sie am Ostermorgen zum ersten Mal teilnehmen durften, das Kernmysterium ihres Glaubens, erlebt haben. Zum ersten Mal hörten sie das Hochgebet mit den Einsetzungsworten über Brot und Wein; zum ersten Mal sprachen sie das Amen am Ende des Kanons; zum ersten Mal empfingen sie das eucharistische Brot und tranken aus dem Kelch den eucharistischen Wein.

Nach der Entlassung derer, die in der Osternacht noch nicht getauft werden wollten, und nach der Bereitung der Gaben, die nun sichtbar auf dem Altar lagen, hielt der Bischof diese berühmten Predigten über die Eucharistie, von denen uns noch einige überliefert sind. Ihr Tenor ist nüchtern. Sie deuten die Riten und die Erklärungen kreisen nahezu immer um den Satz aus dem Ersten Korintherbrief: «Ein Brot ist es. Darum sind wir viele ein Leib; denn wir alle haben teil an dem einen Brot».

Dabei hatte der predigende Augustinus nicht nur die Kirche von Hippo, deren Bischof er war, im Blick. Nein, die Eucharistie ist Sakrament der ganzen weltumspannenden Kirche. «So viele Brote heute auch auf den Altären Christi über den ganzen Erdkreis hin gelegen sein mögen, es ist ein einziges Brot», heißt es in einer dieser Predigten (Sermo Guelferbitanus 7,1).

Daraufhin entfaltete er seine Lieblingsidee vom Einswerden aller Glieder am Leibe Christi. «Dieses Brot ist Christi Leib. Von ihm sagt der Apostel im Blick auf die Kirche: ‹Ihr aber seid Christi Leib und Glieder›. Was ihr empfangt, seid ihr selbst, dank der Gnade, durch die ihr erlöst seid. Ihr gebt eure Unterschrift, wenn ihr mit dem Amen antwortet. Was ihr also seht, ist das Sakrament der Einheit» (ebd.).

Mit einfachen Worte, aber höchst anschaulich fährt er dann fort: «Was der Apostel in Kürze bereits andeutete, das betrachtet genauer und seht, wie dies geschieht. Wie kommt Brot zustande? Es wird gedroschen, es wird zermalmt, es wird in Wasser eingemengt, ehe es zum Backen kommt» (ebd. 7,2).

Der Prediger überträgt dann das vom Brotwerden Gesagte auf die Neugetauften. Ihnen ist Ähnliches widerfahren. Denn dem Gedroschen- und Zermalmtwerden entsprächen die während des Katechumenats empfangenen Exorzismen und die Bemühungen um die Umkehr zu einer christlichen Lebensführung; dem Wasser entspreche die Taufe und dem Backvorgang das Bestehen der leidvollen Versuchungen dieser Welt.

Das vom eucharistischen Brot Gesagte gilt auch vom eucharistischen Wein. Die vielen Beeren werden erst durch Pressen zu Wein. Stets ist es die aus der Vielheit gewonnene Einheit, auf die es dem Bischof ankommt.

In einer dieser Predigten prägte er den in bezug auf die Eucharistie auch rhetorisch vollendeten Satz, mit dem ich diese Predigt beschließen will. «Estote quod videtis et accipete quod estis – Seid, was ihr seht, und empfanget, was ihr seid!» (Sermo 272).

In der Sicht Augustins wäre es also gewiss eine Verkürzung, wenn wir in der Eucharistie nur den verklärten Leib Christi und nicht auch die Glieder seines Leibes, die Christen sehen würden. Es wäre ebenfalls eine Verkürzung, wenn wir darin nur uns selbst, die ein Gedächtnismahl, ein religiöses Happening, Feiernden erblicken wollten. Beides gehört zur Eucharistie, der Christus und die Christen. Nur so gilt der Imperativ: «Seid, was ihr seht, und empfanget, was ihr seid!» Amen.