Am Würzburger Zentrum für Augustinusforschung (ZAF) plant man den Weg in die digitale Zukunft Von MAXIMILIAN LUTZ

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Sandro Botticelli: Der hl. Augustinus beim PhilosophierenDer hl. Augustinus beim Philosophieren. Sandro Botticelli (1480). Florenz, Chiesa di Ognissani. – Bildquelle: wikimedia commons.

Die Werke des antiken Schriftstellers und Kirchenlehrers Augustinus von Hippo sind für die Wissenschaftler des in Würzburg ansässigen Zentrums für Augustinus-Forschung (ZAF) seit den 1970er Jahren der Arbeitsschwerpunkt.

Angefangen hat alles mit dem Augustinus-Lexikon. Drei Bände sind bereits erschienen, der vierte soll bis 2017 publiziert werden. Auf Deutsch, Englisch oder Französisch verfassen Experten aus der ganzen Welt die Beiträge für das Nachschlagewerk. „In dem mehrbändigen Lexikon werden Personen, mit denen Augustinus zu tun hatte, und natürlich all seine Werke, Realien und insbesondere Begriffe behandelt, die in seinem gesamten Corpus vorkommen“, so Andreas Grote, Redaktor des Augustinus-Lexikons.

Ein weiteres Standbein, das in den 1990ern hinzukam, ist das sogenannte CAG (Corpus Augustinianum Gissense). Ins Leben gerufen wurde das Projekt vom Gründervater des Augustinus-Lexikons, Cornelius Mayer. Dabei handelte es sich ursprünglich um eine CD-ROM des gesamten, linguistisch aufbereiteten literarischen Werks des Augustinus. Diese erste Version des CAG, die 1996 veröffentlicht wurde, war zugleich die erste digital erhältliche Fassung des augustinischen Primärtextes. Heute ist man bereits beim CAG-3 angelangt, auch CAG-online genannt. Nicht mehr auf einem Datenträger, sondern web-basiert können interessierte Nutzer nun auf das digitalisierte Gesamtwerk des Augustinus zugreifen.

Doch damit nicht genug: Um mit der Zeit zu gehen, hat man am ZAF auch die Internet-Domain www.augustinus.de aus der Taufe gehoben, die einen umfassenden Überblick über die Arbeit gibt, die das Würzburger Forschungszentrum, ein An-Institut der Universität, verrichtet. „Die Homepage existiert seit 1999, wurde vor einem Jahr im Zuge eines Server-Wechsels jedoch runderneuert. Sie dient vor allem der Außendarstellung, der Dokumentation der Aktivitäten und hilft uns, Interessierten unsere Hauptprojekte näherzubringen“, erklärt Guntram Förster, für die Homepage zuständiger Mitarbeiter des ZAF. 1 000 bis 2 000 Aufrufe zähle man pro Tag. Für ein Wissenschaftsprojekt sei das ganz ordentlich.

Wurden mit der Erneuerung der Web-Plattform und dem web-basierten CAG-online bereits die Weichen für eine digitale Zukunft gestellt, so ist man beim ZAF immer mehr darauf aus, die digitale Sparte auszubauen und zu verbessern. Dies umfasst mehrere Arbeitsschritte: Zum einen soll auch das Augustinus-Lexikon bald digital vorliegen. Christof Müller, Wissenschaftlicher Leiter des ZAF, meint hierzu:„Wenn wir eine Digitalisierung des Augustinus-Lexikons ins Auge fassen, was jetzt auch schon parallel zur Fertigstellung des vierten Bandes geschieht, ist es eine der vordringlichsten Aufgaben, die Bände 1 und 2 zu retro-digitalisieren.“ Dabei wolle man ähnlich vorgehen, wie bei der Digitalisierung der Werke des Augustinus, und zunächst die Texte in Fernost abtippen lassen.

„Das Ganze steht auch unter der großen und immer wichtiger werdenden Überschrift der digitalen Langzeitarchivierung von Projekten“, so Müller weiter. Neuere Projekte müsse man digital und in speziellen Datenbanken anlegen, um zu gewährleisten, dass das Erarbeitete auch in vielen Jahren noch nutzbar ist. „Auch deshalb ist es wichtig, die Digitalisierung unserer Arbeit voranzutreiben.“

Ist das geschehen, haben die Forscher des ZAF vor, einen weiteren Schritt zu vollziehen: die Vernetzung von Augustinus-Lexikon und CAG. „Während wir versuchen, die digitale Schiene von verschiedenen Seiten zu fahren, ist die Idee gewachsen, unsere Produktzweige zusammenzuführen, sodass man eine gewisse Konvergenz und eine gesteigerte Effektivität erreicht“, äußert sich Müller. Eine derartig vernetzte, virtuelle Augustinus-Plattform bezeichnet er als das Langzeitziel des ZAF.

Wie sähe das in der Praxis aus? Man stelle sich das so vor, erklärt Müller, dass ein Nutzer, der im digitalen Augustinus-Lexikon einen Begriff nachschlägt, per Link die Möglichkeit hätte, weitergeleitet zu werden zu den Stellen im CAG, an denen dieser Begriff vorkommt. Dann sähe man entweder den Augustinus-Text im geteilten Bildschirm oder es öffne sich eine neue Registerkarte. Lexikon-Redaktor Grote ergänzt, dass das Ganze jedoch auch umgekehrt funktionieren solle: „Liest man im CAG und stößt auf ein Wort, das im Lexikon verzeichnet ist, soll es eine Verlinkung vom augustinischen Primärtext zum entsprechenden Lexikon-Artikel geben.“

Der Mehrwert für den Nutzer liegt auf der Hand: Höherer Komfort und Zeitersparnis, da er sämtliche Informationen „auf einen Klick“ erhalten kann – einschließlich umfangreicher Literaturhinweise. Doch wer ist überhaupt die Zielgruppe, die von einer digitalen Augustinusplattform regen Gebrauch machen soll? „Bisher war das hauptsächlich ein interdisziplinäres Fachpublikum. Allerdings liegt es uns durchaus am Herzen, ein breiteres Publikum anzusprechen“, meint Grote.

Auch darum arbeitet das ZAF momentan an einem weiteren Projekt: dem sogenannten AL-Schlüssel. Da die Stichworte im Lexikon ausschließlich Augustinus eigene, also lateinische Begriffe sind, will man mit dem Schlüssel solchen Nutzern, die weniger umfassende Lateinkenntnisse besitzen, den Umgang mit dem Nachschlagewerk erleichtern. Denn der Schlüssel soll die Möglichkeit bieten, in modernen Sprachen nach Stichworten im Lexikon zu suchen. Außerdem kann so die heutige Wissenschaftsterminologie in die Recherche integriert werden. Die mit dem AL-Schlüssel verbundene Planungsarbeit, so Grote, sei bereits abgeschlossen – jetzt stehe die Realisierung an.

Digitalisierung des Lexikons, Vernetzung mit dem CAG, Erstellen des AL-Schlüssels: All das sind zeit- und auch kostenintensive Projekte, die das ZAF natürlich nicht alleine stemmen kann. Deshalb gibt es eine Reihe von Partnern und Förderern, mit denen man teilweise schon seit Jahrzehnten zusammenarbeitet. Zum einen sei da der Schwabe-Verlag zu nennen, in dem das Augustinus-Lexikon erscheint. „Der Baseler Schwabe-Verlag ist ein traditionsreiches Verlagshaus, das schon lange mit Augustinus verbunden ist“, so Grote. Die Wissenschaftler des ZAF rechnen daher auch bei der Digitalisierung mit einer Fortführung der langjährigen guten Kooperation. Zudem haben die Würzburger Augustinus-Forscher ein Partnerinstitut an der Universität Trier, das auf die Digitalisierung in den Geisteswissenschaften spezialisiert ist. Weitere Partner, die erheblich dazu beitragen, dass die Forschungsprojekte des ZAF betrieben werden können, sind die Deutsche Augustinerordensprovinz, die Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur sowie die Gesellschaft zur Förderung der Augustinus-Forschung.

2019 soll die Arbeit am Augustinus-Lexikon, an der Digitalisierung sowie dem zugehörigen Schlüssel beendet sein. Doch der engagierte Augustinus-Forscher hat natürlich schon weitere Projekte in Planung: „Seit 2010 entwickeln wir ein neues Projekt: die interdisziplinäre Kommentierung der augustinischen Briefkorrespondenz, Epistulae-Projekt genannt“, erklärt Müller. An die 4 000 Briefe habe Augustinus geschrieben, 310 wurden überliefert. Zusammen mit Experten im In- und Ausland soll dieser Kommentar datenbankbasiert online erstellt werden. Die Arbeit wird den Forschern am ZAF somit wohl nicht ausgehen, denn einige der Briefe, so Grote, hätten Buchlänge. „Wir planen für das Epistulae-Projekt zwölf Jahre ein, weil das Ganze bisher noch gar nicht systematisch aufgearbeitet wurde.“

Quelle: © ‹Die Tagespost – Katholische Zeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur› vom 11.8.2016, S. 7

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