• Ugolino di Gisberto: Der hl. Augustinus vor der Madonna mit dem Jesuskind, daneben der sel. Angelo da Foligno (Ende 15. Jh.). Montefalco (Umbrien), Chiesa di Sant’ AgostinoUgolino di Gisberto: Der hl. Augustinus vor der Madonna mit dem Jesuskind, rechts daneben der sel. Angelo da Foligno (Ende 15. Jh.). Montefalco (Umbrien), Chiesa di Sant’ Agostino. – Bildquelle: wikimedia commons

«Infirma est Christi ex matre nativitas; sed ex patre ampla maiestas» (Sermo 190,3).

«In Schwäche vollzieht sich Christi Geburt aus der Mutter; jedoch die aus dem Vater in glanzvoller Majestät» (Predigt 190,3).

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«Nativitates domini nostri Iesu Christi, duae sunt; una divina, altera humana: ambae mirabiles; illa sine femina matre, ista sine viro patre» (Sermo 196,1).

«Wir unterscheiden eine doppelte Geburt unseres Herrn Jesus Christus, eine göttliche und eine menschliche: beide sind wunderbar; jene ohne Frau als Mutter, diese ohne Mann als Vater» (Predigt 196,1).

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«Semetipsum exinanivit, formam servi accipiens, in similitudinem hominum factus› (Phil 2,7). Ubi? In virgine Maria. Inde ergo aliquid loquamur, si forte possumus. Angelus nuntiat, virgo audit, credit, et concipit. Fides in mente, Christus in ventre. Virgo concepit, miramini: virgo peperit, plus miramini: post partum, virgo permansit» (Sermo 196,1).

«‹Er hat sich selbst entäußert, indem er die Gestalt eines Sklaven annahm, wurde er den Menschen gleich› (Philipperbrief 2,7). Wo? In der Jungfrau Maria. Dazu wollen wir etwas sagen, falls wir es können. Der Engel verkündet, die Jungfrau vernimmt, sie glaubt und empfängt. Im Geiste glaubt sie, im Schoß empfängt sie. Eine Jungfrau empfing; wundert euch: eine Jungfrau gebar; wundert euch noch mehr: nach der Geburt blieb sie Jungfrau» (Predigt 196,1).

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«Venit humilis creator noster, creatus inter nos: qui fecit nos, qui factus est propter nos: deus ante tempora, homo in tempore, ut hominem liberaret a tempore. Venit sanare tumorem nostrum magnus medicus. Ab oriente usque in occidentem genus humanum tamquam magnus iacebat aegrotus, et magnum medicum requirebat: misit primo pueros suos medicus iste, et venit ipse postea, cum a nonnullis desperaretur» (Sermo Guelferbytanus 32,5).

«Es kam unser demütiger Schöpfer als Geschöpf unter uns: der uns erschuf, der unseretwegen erschaffen wurde: Gott vor den Zeiten, Mensch in der Zeit, um den Menschen von der Zeit zu befreien. Es kam der große Arzt, unseren Tumor zu heilen. Vom Orient bis zum Okkzident lag das Menschengeschlecht gleich einem großen Patienten darnieder und sehnte sich nach einem großen Arzt: (dieser) sandte zunächst seine Diener, nachher kam er selbst, da manche nicht mehr auf ihn hofften» (Predigt Guelferbytanus 32,5).

Kurzkommentar: Im Schrifttum Augustins wird Christus des öfteren ‹Arzt› genannt. Dieser Titel überrascht nicht, wenn man bedenkt, dass der Kirchenvater damit Christi Erlösungswerk auf's Beste veranschaulichen konnte. Dabei ist interessant festzustellen, dass sich des Erlösers Tätigkeit als ‹Heiler› primär nicht auf die Gebrechen des Leibes, sondern Leib und Seele umfassend auf den Menschen als solchen abzielte. Unter ‹Tumor› versteht der Prediger nicht eine Geschwulst des Leibes, sondern was das Verb ‹tumescere› ebenfalls bezeichnet, nämlich sich vor Eitelkeit und Stolz aufblähen. Stolz aber ist in gewisser Hinsicht die Ursünde. Sie zu heilen kam Christus als der ‹medicus humilis›, als der demütige Arzt.

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«‹Omnia per ipsum facta sunt, et sine ipso factum est nihil› (Io 1,3). O verbum ante tempora, per quod facta sunt tempora, natum et in tempore, cum sit vita aeterna, vocans temporales, faciens aeternos (Enarrationes in Psalmos 101,2,10).

«‹Alles wurde durch ihn erschaffen, und ohne ihn ist nichts erschaffen worden› (Johannesevangelium 1,3). O Wort vor den Zeiten, durch das die Zeiten geworden sind, geboren in der Zeit, obgleich es das ewige Leben ist; es ruft die der Zeit Verfallenen, um sie mit der Ewigkeit zu beschenken» (Auslegungen zu den Psalmen 101,2,10).

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«Propter vos temporalis effectus est temporum effector, propter vos in carne apparuit mundi conditor, propter vos creatus est creator» (Sermo 192,1).

«Euretwegen ging der Hersteller der Zeiten in die Zeit ein; euretwegen erschien der Urheber der Welt im Fleisch; euretwegen wurde Geschöpf der Schöpfer» (Predigt 192,1).

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«Debemus ... fide catholica retinere duas esse nativitates domini: unam divinam, alteram humanam; illam sine tempore, hanc in tempore. Ambas autem mirabiles: illam sine matre, istam sine patre» (Sermo 190,2).

«Der katholische Glaube hält an zwei Geburten des Herrn fest, an einer göttlichen und an einer menschlichen; jene vollzieht sich zeitlos, diese in der Zeit. Beide sind indes wunderbar: jene ohne Mutter, diese ohne Vater» (Predigt 190,2).

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«Natus est Christus, deus de patre, homo de matre. De patris immortalitate, de matris virginitate. De patre sine matre, de matre sine patre. De patre sine tempore, de matre sine semine. De patre principium vitae, de matre finis mortis. De patre ordinans omnem diem, de matre consecrans istum diem» (Sermo 194,1).

«Geboren ist Christus, Gott vom Vater, Mensch von der Mutter. Aus der Unsterblichkeit des Vaters, aus der Unversehrtheit der Mutter. Aus dem Vater ohne Zeit, aus der Mutter ohne Samen. Aus dem Vater das Prinzip des Lebens, aus der Mutter das Ende des Todes. Aus dem Vater jeden Tag ordnend, aus der Mutter diesen Tag heiligend» (Predigt 194,1).

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«Antequam enim fieret, erat: et quia omnipotens erat, fieri potuit manens quod erat» (Sermo 186,1).

Bevor er (Mensch) wurde, war er: und weil er allmächtig war, konnte er (Mensch) werden und zugleich bleiben, was er war» (Predigt 186,1).

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«Vide, o homo, quid pro te factus est deus: doctrinam tantae humilitatis agnosce, etiam in nondum loquente doctore. ... Tu cum esses homo, deus esse voluisti, ut perires: ille cum esset deus, homo esse voluit, ut quod perierat inveniret. Tantum te pressit humana superbia, ut te non posset nisi humilitas sublevare divina» (Sermo 188,3).

«Siehe, o Mensch, was Gott für dich geworden ist: erkenne die Lehre solch großer Demut, auch wenn ihr Lehrer der Sprache noch nicht mächtig ist. ... Du wolltest als Mensch Gott sein, um zugrunde zu gehen, er hingegen wollte als Gott Mensch sein, um wiederzufinden, was verloren gegangen war. Menschlicher Stolz hat dich in einer Weise niedergedrückt, so dass nur noch göttliche Demut dich wieder aufzurichten vermochte» (Predigt 188,3).

Kurzkommentar: Bereits im Philipperbrief 2,6-11, einem Hymnus der frühen Kirche, wurde die ‹Entäußerung› bezeichnete Menschwerdung Christi als ein Akt der Demut gedeutet. Immer wieder kommt Augustinus vor allem in seinen Weihnachtspredigten auf die in der Menschwerdung des Wortes Gottes zutage tretende Demut zu sprechen. In der Regel zitiert er aus dem Prolog des Johannesevangeliums den Vers 3, ‹durch das Wort ist alles geworden›, um in der Erniedrigung die Demut zu zeigen, die der Inkarnierte auf sich nahm. Denn auch in seiner Erniedrigung blieb der Inkarnierte Gottes einziggeborener Sohn. Darin gipfelt das Mysterium der Weihnacht.

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«Iacebat in praesepio continens mundum: et infans erat et verbum. Quem caeli non capiunt, unius feminae sinus ferebat. ... O manifesta infirmitas, et mira humilitas, in qua sic latuit tota divinitas» (Sermo 184,3).

«Er, der die Welt zusammenhält, lag in der Krippe: er war Säugling und (zugleich) Gottes Wort. Den die Himmel nicht fassen, den trug der Schoß einer einzigen Frau. ... Welch offensichtliche Ohnmacht und bewunderungswürdige Demut, in der sich die ganze Gottheit auf solche Weise verbarg!» (Predigt 184,3).

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«Magis ergo miremur, quam contemnamus eius etiam carnalem nativitatem; et ibi agnoscamus tantae propter nos celsitudinis humilitatem. Inde accendamus caritatem, ut perveniamus ad eius aeternitatem» (Sermo 190,4).

«Lasst uns seine Geburt im Fleisch eher bewundern als verachten und lasst uns darin die Demut seiner überragenden Hoheit erkennen, die er unseretwegen auf sich nahm. Davon lasst uns die Liebe entzünden, um zu siener Ewigkeit zu gelangen» (Predigt 190,4).

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«Expergiscere homo: pro te deus factus est homo. ‹Surge, qui dormis, et exsurge a mortuis, et illuminabit te Christus› (Eph 5,14). Pro te, inquam, deus factus est homo. In aeternum mortuus esses, nisi in tempore natus esset» (Sermo 185,1).

«Wach auf, Mensch: für dich ist Gott Mensch geworden! ‹Wach auf, der du schläfst, und stehe auf von den Toten, und Christus wird dich erleuchten› (Epheserbrief 5,14). Für dich, sage ich, ist Gott Mensch geworden. Für alle Ewigkeit wärest du gestorben, wäre er nicht in der Zeit geboren» (Predigt 185,1).

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«Est ergo et ecclesiae, sicut Mariae, perpetua integritas, et incorrupta fecunditas. Quod enim illa meruit in carne, haec servavit in mente: nisi quod illa peperit unum, haec parit multos, in unum congregandos per unum» (Sermo 195,2).

«Es erfreut sich somit auch die Kirche wie Maria sowohl einer andauernden Unversehrtheit wie auch einer unversehrten Fruchtbarkeit. Was nämlich Maria dem Fleisch nach zustand, das bewahrte die Kirche im Geist; indes, da jene den Einen gebar, gebärt diese die Vielen, die durch den Einen zur Einheit zusammengeschart werden» (Predigt 195,2).

Kurzkommentar: Der Glaube an Christi Menschwerdung aus Maria der Jungfrau hat bei Augustinus auch einen ekklesiologischen Aspekt. Diesem zentralen Gedanken seiner Theologie über die Kirche begegnet man vor allem in den Predigten zu Weihnachten. Der Apostel Paulus, so argumentiert Augustinus, habe in seinem Zweiten Korintherbrief die Kirche eine Jungfrau genannt, und zwar nicht allein im Hinblick auf die Jungfrauen in der Kirche, sondern auch auf die Geisteshaltung der Christen, die auf die Unversehrtheit ihres Glaubens achteten: ‹ ... ich habe euch einem einzigen Mann verlobt, um euch als reine Jungfrau zu Christus zu führen› (2 Korintherbrief 11,2). Die Kirche, so folgert Augustinus daraus, ahme deshalb im Geiste die jungfräuliche Mutterschaft Mariens nach, da sie im Leibe dies nicht vermöge. Im Geiste aber sei sie ebenfalls Jungfrau und Mutter zugleich.

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«Postremo omnes alloquor, omnibus dico; universam virginem castam, quam desponsavit apostolus Christo, ista voce compello. Quod miramini in carne Mariae, agite in penetralibus animae. Qui corde credit ad iustitiam, concipit Christum: qui ore confitetur ad salutem (cf. Rm 10,10), parit Christum. Sic in mentibus vestris et fecunditas exuberet, et virginitas perseveret» (Sermo 191,4).

«Schließlich spreche ich alle an, zu allen rede ich, die ganze Kirche rufe ich als keusche Jungfrau an, die der Apostel Christus vermählte: Was ihr am Leib Mariens bewundert, das ahmt in den Gemächern eurer Seele nach. Wer mit dem Herzen an die (Recht schaffende) Gerechtigkeit (Gottes) glaubt, der empfängt Christus; wer mit dem Munde das (ihm von Gott her zuteil werdende) Heil bekennt (vgl. Römerbrief 10,10), gebiert Christus. In diesem Sinne möge in eurem Geist die Fruchtbarkeit reichlich hervorströmen, und die Jungfräulichkeit Bestand haben» (Predigt 191,4).

Quelle: Augustinus-Zitatenschatz

Weiterführende Links

Kerngedanken aus den Weihnachtspredigten Augustins