ZENTRUM FÜR AUGUSTINUS-FORSCHUNG

AN DER JULIUS-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT WÜRZBURG

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Fecisti nos ad te, domine, et inquietum est cor nostrum donec requiescat in te.

Confessiones 1,1

Geschaffen hast du uns auf dich hin, o Herr, und unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir.

Bekenntnisse 1,1

14. AUGUSTINUS-STUDIENTAG 2016

 

Dialog und Dialoge –
Von Platon bis Augustinus

Würzburg, 17. Juni 2016, 9–13 Uhr und 15–18 Uhr

Institut für Klassische Philologie der Universität Würzburg
[Lageplan]
Residenz, Südflügel, 3. Stockwerk
Residenzplatz 2A, 97070 Würzburg

Veranstaltet vom
Zentrum für Augustinus-Forschung (ZAF) an der Universität Würzburg (Leitung: C. Müller)
in Verbindung mit den Instituten
für Gräzistik (M. Erler), Kirchengeschichte des Mittelalters und der Neuzeit (D. Burkard), Latinistik (C. Tornau) und Philosophie (K. Mertens/J. Müller)

  • pdfZeitungsseite im Original-Layout (PDF)

    Zwischen heidnischer Philosophie und christlicher Theologie

    Der 14. Würzburger Augustinus-Studientag beleuchtet den Beitrag des afrikanischen Kirchenvaters zur abendländischen Kultur des Dialogischen. Ein Bericht der überregionalen katholischen Zeitung Die Tagespost. Von Guntram Förster

    Würzburg (DT) Der literarische Dialog, in der antiken Philosophie eine bevorzugte Darstellungsform, bildete den Rahmen für den diesjährigen Studientag des Zentrums für Augustinus-Forschung (ZAF), der in Kooperation mit Instituten der Universität Würzburg zum 14. Mal stattfand.

    Referenzautor für den literarischen Dialog war in der Antike – und damit selbstredend auch für Augustinus – Platon. Mit dessen Dialogschrift „Die Gesetze“ befasste sich zum Auftakt der Beitrag der an der Universität Marburg lehrenden Gräzistin Sabine Föllinger (in ihrer Abwesenheit vorgetragen durch den Redaktor des „Augustinus-Lexikons“ Andreas Grote). In dieser platonischen Spätschrift entwerfen die drei Dialogpartner einen fiktiven Staat und diskutieren das Problem, wie dessen Bürger zur Befolgung der Gesetze veranlasst werden können. Von den beiden möglichen Alternativen Strafandrohung beziehungsweise Zwang und Überredung beziehungsweise Überzeugung habe für Platon die letztere eine klare Priorität: Die Bürger sollten die Gesetze möglichst aus Einsicht in ihre Sinnhaftigkeit und damit aus eigenem Antrieb befolgen. Um diese Überzeugungsarbeit zu leisten, sollten die Gesetze durch verbale Strategien den Bürgern schmackhaft gemacht werden, unter anderem durch Proömien, die sich direkt an den Bürger richten und bei den Adressaten den Eindruck erzeugen, „einbezogen zu sein und im Dialog zu stehen“. Während Platon von anderen Dialogen her prinzipiell für seine kritische Haltung zur Rhetorik der Sophisten bekannt sei, werde von ihm hier eine positive Funktion der Rhetorik anerkannt.

    Dem kulturellen Dialog zwischen paganer Philosophie und christlicher Theologie in Gestalt des Platon-Schülers Aristoteles und des Kirchenvaters Augustinus widmete sich anschließend Rainer Thiel. Der Gräzist von der Universität Jena untersuchte, ausgehend von einer im vierten Buch der „Confessiones“ geschilderten Episode, die Rezeption der aristotelischen Kategorienschrift durch den jungen Augustinus, der sie sich als 20-Jähriger im Selbststudium angeeignet hatte. Er las dieses Werk, so Thiel, damals offensichtlich unter der problematischen Prämisse, dass in Aristoteles? zehn Kategorien sämtliche Seienden erfasst seien, also auch das „in höchstem Maße Seiende“, das heißt Gott selbst.

    Unterschiedliche sprachliche und literarische Strategien

    Die neuplatonische Rezeption der Kategorienschrift, die auch die spätere Interpretation Augustins beeinflusst haben dürfte, vertrat freilich eine entgegengesetzte – sprachlogische statt streng ontologische – Aristoteles-Deutung. Darüber schweige freilich der Bischof Augustinus und gebe in den „Confessiones“ aus der zeitlichen Distanz von zwei Jahrzehnten nur die in seiner Jugend vertretene Sicht der Dinge wieder – vermutlich um seine Überzeugung von der Nutzlosigkeit der aristotelischen Kategorien für die Gotteserkenntnis zu unterstreichen.

    Maßgeblichen Einfluss auf die augustinischen Dialoge übte Cicero aus, der Meister des Dialogs in der lateinischen Literatur der Antike. Jochen Sauer, Latinist aus Bielefeld, verglich die Funktion von Konfliktsituationen in den philosophischen Dialogen Ciceros und in den von Augustinus kurz nach seiner Bekehrung zu Cassiciacum verfassten Dialogen. Bei beiden Autoren verliefen Konflikte auf zwei Ebenen: einerseits auf der Ebene der jeweiligen Gesprächsgemeinschaft, andererseits auf der Ebene der unterschiedlichen Tradition der Philosophenschulen. Cicero wie Augustinus verfolgen laut Sauer das Ziel, „den Rezipienten über Identifikationsangebote in die Gesprächssituation einzubeziehen und über die Vergegenwärtigung von Konfliktsituationen in seinem Erkenntnisprozess oder der Ausbildung von Haltungen zu befördern“. Abschließend verwies Sauer auf die Transformation von Ciceros Konstruktion der Philosophenschulen in Augustins Dialog „Contra Academicos“. Auf diesen Dialog gegen die Anhänger der Skepsis (verfasst 386), die älteste erhaltene Schrift Augustins, war der folgende Beitrag der Salzburger Latinistin Dorothea Weber fokussiert (wegen krankheitsbedingter Abwesenheit wiederum vorgetragen von Andreas Grote). Ihr Beitrag legte unterschiedliche sprachliche und literarische Strategien dar, die der geschulte Rhetor Augustinus zur Vermittlung seiner komplexen Einsichten an einen philosophisch ungeübten Leser einsetzt. So konnten die Hörerinnen und Hörer an einem lateinischen Textbeispiel exemplarisch nachvollziehen, wie sich mittels der Gesetze des Prosarhythmus durch „kunstvoll arrangierte Kombination von langen und kurzen Silben“ wichtige Aussagen verstärken lassen, indem ihnen „elegante Behendigkeit“ respektive „pathetische Schwere“ verliehen wird.

    Theoretischer Diskurs und praktische Erfahrung

    Wolfgang Hübner, Mitglied im Herausgebergremium des „Augustinus-Lexikons“, beschäftigte sich mit der literarischen Form von Augustins Schrift „De ordine“, einem philosophischen Gespräch über die göttliche Weltordnung (verfasst 386). Der Münsteraner Altphilologe untersuchte eingehend die Szenerie dieser Dialogschrift und arbeitete heraus, wie Augustinus die vielen unscheinbaren und vermeintlich verächtlichen Realien aufwertet: Selbst ein lästiges Tierchen wie der Floh ist ein „Teil jener göttlichen Ordnung, die die philosophische Diskussion trotz mehrerer Anläufe nicht logisch deduzieren kann“. Theoretischer Diskurs und praktische Erfahrung seien damit gleich wichtig und ergänzten einander. Hübner resümierte: „Eine solche Komplementarität von Gesprächsinhalt und Gesprächsrahmen sind in der Antike einzigartig.“

    Das Auditorium beschäftigte unter anderem die Frage nach der Authentizität der Dialogschriften Augustins. Die Tatsache zugrundeliegender Diskussionen bald nach seiner Bekehrung wurde von Seiten der anwesenden Experten kaum bezweifelt, wobei literarische Stilisierung immer in Rechnung zu stellen sei. Echtes und Erfundenes dürften sich nach den Worten Hübners folglich kaum voneinander abgrenzen lassen.

    Hatte der Studientag mit den Cassiciacum-Dialogen seinen thematischen Schwerpunkt bei den augustinischen Frühschriften, lenkte Cornelius Mayer, der Initiator der Würzburger Augustinus-Projekte, den Blick auf den späteren Bischof Augustinus, der zumal in den großen dogmatischen Kontroversen bei der Darlegung seiner Positionen auf die klassische Dialogform verzichtete. Die inhaltlich bei der Offenbarung ansetzende dogmatische Argumentation dürfte sich somit auf die literarische Form ausgewirkt haben.

    Hat Augustinus also „Gattung und Geist des Dialogs sukzessive verlassen und verraten“? In der Tat erweise sich Augustinus gegenüber unserem heutigen, dem Dialog verpflichteten Zeitgeist als bedenklich sperrig, so Christof Müller, wissenschaftlicher Leiter des ZAF. Doch andererseits könne diese Sperrigkeit uns „ermahnen, den Dialog als Ringen um existenzielle Wahrheit zu verstehen und nicht zum seichten Smalltalk zu entschärfen“.

    © ‹Die Tagespost – Katholische Zeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur› vom 23.06.2016, Seite 5

    Wir danken dem Verlag J.W. Naumann für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung in unserem Webportal.

  • Augstinus-Studientag 2016P R O G R A M M

     

    9.15-9.30   CHRISTOF MÜLLER, ZAF
    Begrüßung und Einführung

     

    9.30-10.30    SABINE FÖLLINGER, Marburg
    Die Rolle der Rhetorik in Platons Nomoi

     

    – Kaffeepause –

     

    11.00-12.00    RAINER THIEL, Jena
    Augustin und die Kategorien
    Das Verständnis der aristotelischen Kategorienschrift zwischen Ontologie und Prädikationslogik

     

    12.00-13.00    JOCHEN SAUER, Bielefeld
    Die Funktion der Konfrontation in Ciceros Philosophica und in Augustinus’ Cassiciacum-Dialogen

     

    – Mittagspause –

     

    15.00-16.00    DOROTHEA WEBER, Salzburg
    Zum Sprechen im Dialog
    Philologische Beobachtungen zu philosophischen Argumentationen in Contra Academicos

     

    16.00-17.00    WOLFGANG HÜBNER, Münster
    Die Form des Dialoges De ordine

     

    – Anschließend Empfang –

     

    Das ‹Dialogische› spielt in der Kulturgeschichte der Menschheit schon von Anfang an eine wichtige Rolle. In weiten Teilen der Philosophie – spätestens mit Sokrates und Platon – gewinnt es zentrale Bedeutung als Medium von Erkenntnis und manifestiert sich paradigmatisch in der literarischen Gattung des ‹Dialogs›.

    Der Rhetor, Philosoph und Theologe Augustinus (354-430) greift in vielfacher Weise die Tradition des ‹Dialogischen› auf und versieht sie mit eigenen Akzenten und Interpretationen, die von Lebensphase zu Lebensphase durchaus unterschiedlich ausfallen können: angefangen von den Dialogen seines Frühwerkes bis hin zu den Diskussionen – bisweilen auch Polemiken – der mittleren und der späten Schaffensperiode. Der Studientag 2016 vermittelt beispielhafte Einblicke in die Geschichte des ‹Dialogischen› zwischen Platon und Augustinus.

     

    Das Zentrum für Augustinus-Forschung e.V. und der Lenkungsausschuss von ZAF und Universität Würzburg laden Sie zu diesem Studientag mit anschließendem Empfang herzlich ein.

     

    Prof. DDr. Christof Müller
    Wissenschaftlicher Leiter des ZAF

    Prof. Dr. Michael Erler
    Vorsitzender des Lenkungsausschusses

    Dr. Dr. h.c. (UCC) Adolf Bauer, Bürgermeister
    Vorsitzender des ZAF e.V.

     

    Anmeldung & Kontakt

     

    Zentrum für Augustinus-Forschung an der Universität Würzburg
    Dominikanerplatz 4
    D-97070 Würzburg
    Tel.: 0931/3097-305 bzw. -300
    Fax: 0931/3097-304
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