ZENTRUM FÜR AUGUSTINUS-FORSCHUNG

AN DER JULIUS-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT WÜRZBURG

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Fecisti nos ad te, domine, et inquietum est cor nostrum donec requiescat in te.

Confessiones 1,1

Geschaffen hast du uns auf dich hin, o Herr, und unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir.

Bekenntnisse 1,1

DER SERMO 226 - WAHRSCHEINLICH EINE AM OSTERMORGEN GEHALTENE PREDIGT

Von Cornelius Petrus Mayer OSA

Das Thema - ‹Ihr seid der Tag des Herrn› - und die zeitliche Einordnung des Sermo. Bei der Themenwahl seiner Osterpredigten ließ Augustin sich nicht selten vom Gedanken der österlichen Lichtsymbolik leiten - so auch in diesem kurzen Sermo 226, den er nach dem Urteil der Fachwelt schon in der Zeit des sogenannten Gnadenstreites mit den Pelagianern, etwa um 416-417 in Hippo gehalten haben dürfte (P.-P. VERBRAKEN, Etudes critiques sur les Sermons authentiques de saint Augustin, Steenbrugis/Hagae Comitis 1976, 109). Fast immer legt er seinen Ausführungen Bibelstellen zugrunde. Im vorliegenden Sermo ist dies der Vers 24 vom Psalm 118: «Dies ist der Tag, den der Herr geschaffen hat, wir wollen jubeln und seiner uns freuen». An diesem Vers faszinierte den Prediger nicht die herkömmliche, schon in der frühen Kirche gängige Auslegung, die diesen ‹Tag› auf Ostern bezog. Nein, der Kirchenvater bezieht ‹den Tag, den der Herr geschaffen hat› auf die in der Osternacht getauften ‹infantes›. In den ebenfalls Ostern für die Neugetauften gehaltenen Predigten über die Eucharistie (siehe die kommentierten Sermones 227 und 272 auf dieser Homepage unter der Rubrik ‹Juwelen augustinischer Texte›), brachte er die eucharistischen Gaben von Brot und Wein in gleicher Absicht mit den ‹infantes› und den ‹fideles - Gläubigen›, in Beziehung. Der paulinischen Lehre von der Kirche als ‹Leib Christi› folgend, bezog er die Worte, «Dies ist mein Leib, der für euch hingegeben wird» nicht nur auf Christus als Haupt, sondern auch auf die Gläubigen als Glieder des Leibes. Die Eucharistie als ‹Zeichen - signum› verweist demnach auf den ‹ganzen Christus›, den ‹totus Christus›. Dieser ist die durch die eucharistischen Gaben bezeichnete ‹Sache - res›. Daher konnte der Prediger präzise formuliert sagen: «Euer Geheimnis liegt auf dem Tisch des Herrn: ihr empfangt euer Geheimnis», worauf er dann paränetisch konsequent hinzufügte: «Seid, was ihr seht, und empfangt, was ihr seid».

Die exegetische Begründung des Themas: ihr seid ‹der Tag, den der Herr geschaffen hat›. In ähnlicher Weise begründet Augustinus aus Texten der Bibel seine uns ungewohnte und deshalb auch überraschende Identifikation des ‹Tages, den der Herr geschaffen hat› mit den ‹Getauften›. Der Begriff ‹Tag› assoziiert den Begriff ‹Licht›. ‹Licht› ist ein Kernbegriff der biblischen Theologie. So beginnt Augustinus seine Predigt, indem er die Zuhörer an den Anfang des Johannesevangeliums erinnert, wonach Christus kraft seiner göttlichen Natur Gottes Wort und selbst Gott ist. Zwar zitiert der Prediger nicht mehr die Vers 9 und 10, wonach Christus auch ‹das wahre Licht› ist, das in die Welt kam. Er zitiert vielmehr aus dem nizeno-konstantinopolitanischen Credo die Formel: «Licht vom Licht», die der Glaube bekennt, und er fährt in Analogie zu dieser Formel fort: (wir bekennen) ‹den Tag vom Tag›. Es ist also seiner Exegese zufolge und in Analogie zu dem unerschaffenen und dem erschaffenen Licht deutlich zwischen einem unerschaffenen und einem erschaffenen Tag zu unterscheiden. Aber der Sermo handelt nicht vom letzteren, von dem in Gn 2b-5a die Rede ist, sonst hätte sich der Psalmist mit der ersten Hälfte des Verses 24, ‹dies ist der Tag, den der Herr erschaffen hat›, als Aussage begnügt. Er fügte jedoch noch hinzu, «damit wir über ihn jubeln und uns an ihm erfreuen». Darin erblickt Augustinus das Bedenkenswerte für das Thema seiner Predigt. Der Tag, den der Herr erschaffen hat, ist nicht der Alltag, sondern ein ‹alius dies - ein anderer Tag›, der freilich ebenfalls wesentlich mit ‹Licht› zu tun haben muss. Die Übertragung ‹des Tages› ins Spirituelle begründet der Prediger mit Mt 5,14. Sind die Glaubenden nach der Bergpredigt ‹das Licht der Welt›, so sind sie - zweifelsohne auch ‹Tag›: «si lux,utique dies».

Wie die Neophyten durch den Empfang der Taufe ‹Tag, den der Herr geschaffen hat› wurden. In der zweiten Hälfte des Sermo kommt der Prediger auf die vergangene Osternacht, in der die Neophyten die Taufe empfingen, zu sprechen. In Gn 2b erblickt er eine sogenannte Vorausdarstellung des Taufgeschehens. Die Finsternis der Sünde bedeckte den ‹Abgrund› der Taufkandidaten, ehe diesen die Vergebung zuteil wurde. Ihnen galt der Schöpfungsbefehl: «Es werde Licht» und dessen Ausführung: «und es ward Licht». Über die schöpferische Kraft des Taufsakramentes gibt es bei Augustinus keinen Zweifel. Dieses ist eine Neuschöpfung. Und weil diese Neuschöpfung eine perfekte ist, ist auch die Übertragung ‹des Tages, den der Herr erschaffen hat›, auf die Neugetauften schlüssig. Nicht nur ein weiteres Schriftwort, nämlich aus Eph 5,8: «Einst wart ihr Finsternis, jetzt aber seid ihr Licht im Herrn geworden», sondern auch das Wissen und Gewissen der Getauften selbst bestätigen dies. Die Wendung ‹im Herrn - in domino› - darauf scheint Augustinus, der ‹doctor gratiae›, wert zu legen - will bedacht sein! Christen sind nicht in und aus sich ‹Licht›, sondern stets nur ‹im Herrn›. Schon Eph 5,8 setzt diesen Sachverhalt der Befähigung durch die Gnade für die Paränese voraus: Weil dem so ist, «wandelt wie die Kinder des Lichtes»!

Aus dem Schlusssatz des Sermo geht nicht eindeutig hervor, ob Augustinus Ostern zweimal die Eucharistie feierte. Denn die hier angekündigte Predigt über die Eucharistie wird er wahrscheinlich in einem eucharistischen Gottesdienst gehalten haben. Möglicherweise wurde aber der kurze Sermo 226 als eine Art Einführung zu der Festmesse am Ostermorgen gehalten, auf die dann in der Messe selbst die Predigt über die Eucharistie noch folgte. Die Bemerkung «quoniam et post laboraturi sumus», lässt beide Vermutungen zu.

Sermo CCXXVI   Predigt 226
sic audistis praedicari dominum Christum, quia «in principio erat uerbum, et uerbum erat apud deum, et deus erat uerbum». ipse est enim dominus Christus, qui si non se humiliaret, sed semper sic manere uoluisset, homo perisset. agnoscimus uerbum deum apud deum, agnoscimus patri aequalem unigenitum filium, agnoscimus ‹lumen de lumine›, diem ex die. ipse est ‹dies›, qui fecit diem: a die ‹non factus, sed genitus›. si ergo ‹dies de die, non factus, sed genitus est›; quis est ‹dies quem fecit dominus›? quare dies? quia lux est. «et uocauit deus lucem diem». quaeramus quem diem fecit dominus, ut exsultemus et iucundemur in eo.   Ihr habt gehört, dass von Christus verkündet wird: «Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort» (Io 1,1). Hätte Christus, der Herr - er ist das Wort - sich nicht selbst erniedrigt, sondern immer in der Seinsweise bleiben wollen, in der er als Wort ist, so wäre der Mensch zugrunde gegangen. Wir erkennen ihn als das Wort, Gott bei Gott, wir erkennen ihn als dem Vater gleichen, eingeborenen Sohn, wir erkennen ihn, ‹das Licht vom Licht› und den Tag vom Tag. Er ist der ‹Tag›, der den Tag erschaffen hat; er selbst ist ‹nicht erschaffen, sondern gezeugt. Heißt es ‹Tag vom Tag›, so ist damit der gemeint, der ‹nicht erschaffen, sondern gezeugt› ist. Wer ist (nun) ‹der Tag, den der Herr geschaffen hat›? Wieso überhaupt ‹Tag›? Weil er Licht ist. «Und es nannte Gott das Licht Tag» (Gn 1,5a). Lasst uns (also) sehen, was mit dem Tag gemeint ist, von dem es heißt, ihn hat der Herr geschaffen, damit wir über ihn jubeln und uns seiner erfreuen.
in prima conditione mundi legitur quia «tenebrae erant super abyssum, et spiritus die ferebatur super aquam. et dixit deus, fiat lux; et facta est lux. et diuisit deus inter lucem et tenebras et lucem uocauit diem, et tenebras uocauit noctem». ecce ‹dies quem fecit dominus›. sed numquid ipse est, in quo exsultare et iucundari debemus? est aliusdies quem fecit dominus›, quem magis debemus agnoscere, et in eo iucundari et exsultare. quoniam dictum est fidelibus in Christum credentibus, «uos estis lux mundi». si lux, utique dies: quia lucem uocauit diem.   Im ersten Bericht über die Schöpfung der Welt lesen wir, «Finsternis bedeckte den Abgrund, und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser. Und Gott sprach, es werde Licht; und es ward Licht. Und Gott schied zwischen dem Licht und der Finsternis. Und er nannte das Licht Tag, und die Finsternis Nacht» (Gn 2b-5a). Seht, ‹dies ist der Tag, den der Herr geschaffen hat›. Ist jedoch er es, über den wir jubeln und uns freuen sollen? Nein, es gibt noch einen anderenTag, den der Herr geschaffen hat›. Den haben wir allem voran zu erkennen; dessen uns zu erfreuen und darüber zu jubeln. Ist doch den an Christus Glaubenden gesagt worden: «Ihr seid das Licht der Welt» (Mt 5,14). Wenn also ‹Licht›, dann gewiss auch ‹Tag›, heißt es doch: ‹er nannte das Licht Tag› (cf. Gn 1,3).
ferebatur ergo etiam hic hesterno die dei spiritus super aquam, et tenebrae erant super abyssum, quando isti infantes adhuc sua peccata portabant. quando ergo illis per spiritum dei peccata dimissa sunt, tunc dixit deus, «fiat lux; et facta est lux». «ecce dies quem fecit dominus, exsultemus et iucundemur in eo».   Gottes Geist schwebte auch am gestrigen Tag über dem Wasser, und Finsternis bedeckte den Abgrund, da diese Neugeborenen noch die Last ihrer Sünden trugen. Als jedoch ihre Sünden durch den Geist Gottes vergeben wurden, sprach Gott gleichsam sein «es werde Licht, und es wurde Licht». (Das also ist mit dem Psalmvers gemeint:) «Seht, der Tag, den der Herr geschaffen hat, wir wollen jubeln und seiner uns freuen».
alloquamur istum diem apostolicis uerbis. o dies quem fecit dominus, fuistis aliquando tenebrae: nunc autem lux in domino. «fuistis», inquit, «aliquando tenebrae». fuistis, aut non? recolite facta uestra, si non fuistis. respicite conscientias uestras, quibus renuntiastis. quia ergo «fuistis aliquando tenebrae, nunc autem lux», non in uobis, sed «in domino; sicut filii lucis ambulate».   An diesen Tag möchte ich mich mit den Worten des Apostels wenden (und ihm zurufen): Du Tag, den der Herrn geschaffen hat! Ihr (die ihr unter dem ‹Tag› zu verstehen seid,) wart einst Finsternis; nun aber seid ihr Licht im Herrn›. Er sagt: «Einst wart ihr Finsternis». Wart ihr es, oder wart ihr es nicht? Überdenkt eurer Taten; wenn ihr es nicht wart. Nehmt Rücksicht auf euer Gewissen, das euch veranlasste, euch vom Bösen loszusagen. Da ihr also «einst Finsternis wart, jetzt aber Licht geworden seid», nicht kraft eures Vermögens, sondern «kraft des Herrn; wandelt (deshalb) wie die Kinder des Lichtes» (Eph 5,8).
satis sint uobis pauca ista, quoniam et post laboraturi sumus, et de sacramentis altaris hodie infantibus.   Diese wenigen Worte mögen genügen, da wir uns auch nachher noch abzumühen und einiges über das Sakrament des Altares den Neugetauften zu sagen haben werden.

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[[PL 38 p. 234/39] Corpus Augustinianum Gissense a C. Mayer editum]