22. – virtueller – Augustinus-Studientag
Augustinus und der Kosmos
Freitag, 4. Juli 2025, ab 10.00 Uhr
ZOOM-Plattform der Universität Würzburg
Hl. Augustinus. Darstellung auf dem Marienaltar der Stadtkirche Langenzenn (ca. 1440–1450). – © Foto: Wolfgang Sauber/wikimedia commons/GFDL
Der Kosmos oder die Welt ist in der antiken christlichen Tradition etwas durchaus Ambivalentes. Er ist der Raum der menschlichen Beschränktheit und Sünde, aber zugleich ist Gott im jüdisch-christlichen Denken wesentlich der Weltschöpfer, der sich durch sein Geschöpf, den Kosmos, allen Menschen zu erkennen gibt. Entsprechend groß ist Augustins Interesse, die biblisch berichtete Erschaffung der Welt philosophisch-theologisch zu durchdringen. Dabei kann er bereits auf eine lange christliche und nichtchristlich-philosophische Tradition zurückgreifen. Augustins Auslegung der Genesis, an der er sich nicht weniger als fünfmal in seinem Leben versucht hat, wirft daher eine Fülle von Fragen auf, darunter so grundsätzliche und aktuelle wie die nach dem Verhältnis von biblischer Offenbarung und wissenschaftlicher Kosmologie.
Der 22. – virtuelle! – Augustinus-Studientag nähert sich dieser breitgefächerten Thematik schlaglichtartig in Vorträgen ausgewählter Expertinnen und Experten an und lädt zum Austausch ein.
N.B.: Angemeldete Teilnehmer erhalten rechtzeitig vor der Veranstaltung einen Teilnahme-Link. Online-Anmeldeformular siehe unten.
PROGRAMM
10.00-10.15 Uhr
Christian Tornau (ZAF)
Eröffnung, Begrüßung, Einführung
10.15-11.15 Uhr
Charlotte Köckert (Erlangen)
Die Welt als Kosmos, oder: Wie wirkt der transzendente Gott in die Immanenz? Augustins Auslegung von Gen 1–2
Die Frage, wie der transzendente und unwandelbare Gott als Ursache der körperlichen und Veränderungen unterworfenen Welt gedacht werden kann, ist eine klassische Frage antiker Philosophie. Auf sie suchten auch christliche Denker wie Augustinus eine Antwort. Für seine Argumentation stellen Gen 1,1–5 und 2,4–6 Schlüsselverse innerhalb des biblischen Schöpfungsberichtes dar. In ihrer Auslegung verfolgt er unter anderem zwei Ziele: plausibel zu machen, dass Gott unbewegt und ohne Zeit unterworfen zu sein in der Welt wirkt; die Rationalität der Schöpfung in Gott selbst zu verankern und die grundsätzliche Erkennbarkeit der Schöpfungsordnung abzusichern. Dabei spielt seine Lehre von den rationes causales eine zentrale Rolle. Seine Auslegung steht einerseits in der Tradition griechischer Hexaemeron-Auslegungen (vor allem Philon; Origenes), andererseits unterscheidet sie sich signifikant von ihnen. Mein Beitrag stellt Augustins Auslegung vor dem Hintergrund der älteren Traditionen dar und erläutert seine Lehre von den rationes causales mit dem Ziel, seine Antwort auf die eingangs genannte Frage zu profilieren.
PAUSE
11.45-12.45 Uhr
Benjamin Gleede (Tübingen)
Wissenschaft und Biblizismus. Augustin, Ambrosius und Basilius vor der Frage nach der Gestalt der Erde im Alten Testament
Obgleich die Kugelgestalt der Erde seit hellenistischer Zeit als wissenschaftlich erwiesenes Faktum gilt, häufen in der christlichen Theologie seit dem späten vierten Jahrhundert Stimmen, die diese in Abrede stellen bzw. als unbiblisch erklären wollen. In der Auslegung der biblischen Urgeschichte zeitigt diese Kritik bei Basilius, Ambrosius und Augustinus ein in mancher Hinsicht analoges, in anderer Hinsicht aber auch sehr unterschiedliches Echo. Diese Unterschiede sollen in der Präsentation genauer analysiert und auf mögliche Ursachen im Umfeld der Autoren hin befragt werden.
PAUSE
14.15-15.15 Uhr
Johannes Brachtendorf (Tübingen)
Augustinus über die kosmologische Zeit
15.15-16.15 Uhr
Friedemann Drews (Hamburg)
Augustins Zeittheorie als hermeneutischer Schlüssel für die Confessiones und ihre systematischen Grundlagen
In meinem Vortrag versuche ich, Augustins Zeittheorie aus sich selbst heraus zu verstehen. Moderne Kategorien wie die Dichotomie subjektiv-objektiv oder Kants Transzendentalphilosophie können nicht mit Recht auf Confessiones 11 angewendet werden, insofern läuft z.B. die Kritik von Kurt Flasch ins Leere.
Vielmehr ist Augustins Zeittheorie ein in sich kohärenter Versuch, die Phänomene von innerer und äußerer Zeit genau zu bestimmen: Physikalische Zeit tendiert zum Nicht-Sein, seelische Zeit dagegen nicht, beide stehen in Bezug zueinander. Für die Interpretation der Confessiones insgesamt bildet die Zeittheorie aus Buch 11 den entscheidenden hermeneutischen Schlüssel.
PAUSE
16.45-17.45 Uhr
Karl Mannheim (Würzburg)
Naturwissenschaftliche Kosmologie: Beobachten und Verstehen
Der Vortrag behandelt die moderne Kosmologie und stellt – soweit möglich und angemessen – Bezüge zu Augustins De Genesi ad litteram her.