Fecisti nos ad te, domine, et inquietum est cor nostrum donec requiescat in te.
Confessiones 1,1
Geschaffen hast du uns auf dich hin, o Herr, und unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir.
Bekenntnisse 1,1
15. AUGUSTINUS-STUDIENTAG 2017
Augustinus und Luther
Zur Verwandtschaft zweier „Kirchenväter“
Würzburg, 19. Mai 2017, 9–13 Uhr und 15–18 Uhr
Burkardushaus – Tagungszentrum am Dom
Am Bruderhof 1, 97070 Würzburg
[Lageplan]
Veranstaltet vom
Zentrum für Augustinus-Forschung (ZAF) an der Universität Würzburg (Leitung: C. Müller)
in Verbindung mit den Instituten
für Antike und mittelalterliche Philosophie (J. Müller), Gräzistik (M. Erler), Kirchengeschichte des Mittelalters und der Neuzeit (D. Burkard), Latinistik (C. Tornau) und Praktische Philosophie (K. Mertens)
Kooperation: Domschule Würzburg (R. Dvorak) und Rudolf-Alexander-Schröderhaus (A. Hentschel)
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Tagungsbericht
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Einführung
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Programm
Ein Wechselspiel von Nähe und Distanz
Der 15. Augustinus-Studientag in Würzburg widmet sich der Frage, inwieweit Augustinus Martin Luthers Denken prägte. Von CLEMENS SCHLIP
Würzburg (DT) Der heilige Augustinus hat als Zentralgestalt der westlichen Zivilisation zahlreiche Denker beeinflusst oder zur Auseinandersetzung gereizt. Zu ihnen gehörte in besonderer Weise auch Martin Luther. Schließlich begann der Reformator seine geistliche Laufbahn als Mitglied des Ordens der Augustinereremiten, dessen Habit er erst 1524 ablegte – also einige Jahre nach dem „Thesenanschlag“, dessen 500. Jubiläum heuer landauf, landab begangen wird. Grund genug, sich gerade in diesem Jahr zu fragen, welche Auswirkungen die Beschäftigung mit Augustinus in Luthers eigenem Werk zeigte. Diesem Thema widmete sich der diesjährige 15. Augustinus-Studientag des Würzburger „Zentrums für Augustinus-Forschung“ unter dem Motto „Augustinus und Luther. Zur Verwandtschaft zweier „Kirchenväter“. Die durchgängig hervorragend besuchte Veranstaltung fand im Würzburger Burkardushaus statt.
Der evangelische Kirchenhistoriker Markus Wriedt (Frankfurt a.M.) beleuchtete zu Beginn mit einem Vortrag über „Augustinus und seine Bedeutung für die spätmittelalterliche Theologie“ den geistesgeschichtlichen Hintergrund, vor dem man sich Luthers Augustinus-Rezeption zu denken hat. In der spätmittelalterlichen Theologie wurde Augustinus als „Siegel der Orthodoxie“ bezeichnet und galt auch als Lehrer und Bischof für vorbildhaft. Eindringlich stellte Wriedt heraus, dass man zur Rekonstruktion dieser Rezeptionsprozesse nicht unbesehen von den modernen Werkeditionen des Kirchenvaters oder modernem Methodenbewusstsein ausgehen darf. Augustinisches Gedankengut, das mittelalterliche Theologen aufgriffen, konnte ihnen nicht nur durch Lektüre des Originals, sondern auch auf anderen Wegen (Zitatensammlungen et cetera) zukommen. Zudem tendierten sie dazu, die inneren Entwicklungen des augustinischen Denkens zu ignorieren, und sich jeweils nur die Aspekte herauszugreifen, die zu ihrer eigenen Argumentation passten. Wriedt arbeitete heraus, was die spezifischen Merkmale der Augustinus-Rezeption im Orden der Augustinereremiten waren. Ausführlich ging Wriedt auf den Augustinereremiten Johann von Staupitz ein, dessen Theologie einen spiritualistischen Ansatz zeigte und der Luther wohl unter anderem durch seine Hochschätzung der Bibellektüre als existenziell bedeutende Tätigkeit beeinflusste. Wriedt betonte in bewusster Abgrenzung zu Tendenzen, die den Wittenberger als Innovator zeichnen, dass Luther sein reformatorisches Werk aus dem Geist der spätmittelalterlichen Theologie heraus betrieben habe.
Die in Münsterschwarzach tätige katholische Patrologin Gabriele Ziegler beschäftigte sich mit dem Verhältnis Martin Luthers zu den ägyptischen Mönchsvätern, die auch Augustinus schon sehr beeindruckt hatten. Luther zitierte gerne aus der unter dem Titel „Vitae Patrum“ überlieferten und im Mittelalter sehr verbreiteten Sammlung von Sprüchen und Episoden aus dem Leben der frühen Mönche. Vom heiligen Antonius sagte er, dieser habe „mehr getan als alle Päpste auf einen Haufen geschmelzt“. Diesem Heiligen widmete er im Jahr 1522 sogar eine eigene Predigt. Der Reformator erkannte den ägyptischen Mönchen in vielem einen praktischen Vorbildcharakter für das christliche Leben zu. Sehr lobte er ihre Wertschätzung der Heiligen Schrift – in der er sein eigenes sola-scriptura-Prinzip punktuell schon verwirklicht sah –, ihre Demut und ihre Rücksicht auf Schwächere. Mit ihrer Ablehnung des Kriegsdienstes und ihrer von ihm als übertrieben angesehenen Absonderung von der Welt tat er sich dagegen schwer.
Der emeritierte evangelische Kirchenhistoriker Christoph Burger (Amsterdam) widmete sich der „Inanspruchnahme Augustins durch Luther“ mit besonderem Blick auf die antipelagianischen Schriften des Kirchenvaters, die gegen den als häretisch verurteilten Theologen Pelagius die Bedeutung der göttlichen Gnade im Heilsgeschehen (in Abgrenzung zur von Pelagius betonten menschlichen Entscheidungsfreiheit zum Guten) hervorhoben. Er zeigte, wie Luther über Augustinus besonders zu einem Verständnis der paulinischen Theologie gelangen wollte. Burger legte anhand von Zeugnissen aus Luthers akademischer Lehrtätigkeit dar, wie sich das Verhältnis des Wittenberger Professors zu Augustinus entwickelte. Zu Beginn betonte Luther gerne seine Übereinstimmung mit dem Kirchenvater, besonders im Verständnis des Apostels Paulus. „Unsere Theologie und der heilige Augustinus machen durch Gottes Wirken gute Fortschritte und herrschen an unserer Universität“, bemerkte er gegenüber einem Briefpartner und zeigte so seine innere Nähe zum Kirchenvater an. In dem Maße, wie sein eigenes Verständnis des Paulus sich veränderte, verlor Augustinus für ihn an Bedeutung.
Dem Spannungsfeld zwischen göttlicher Gnade und menschlicher Freiheit bei Augustinus und Luther widmete sich Christian Danz, Professor für Systematische Theologie an der evangelischen Fakultät der Universität Wien. Beide Theologen hätten betont, dass die Gnade Gottes den Anfang des Glaubens darstellt, der somit vom Menschen selbst nicht hergestellt werden könne. Unterschiede zwischen den Gnadenlehren Augustins und Luthers hätten sich aus ihren jeweiligen Gottesbildern ergeben. Augustinus verstand Gott als unveränderliches geistiges Sein, dessen Erkenntnis der Erfahrung der Gnade vorausgesetzt ist, und war von der platonischen Ideenlehre beeinflusst. Luther dagegen sei vom spätmittelalterlichen Nominalismus beeinflusst gewesen. Das metaphysische Sein Gottes sei für ihn weniger wichtig gewesen als der soteriologische Gedanke, „dass Gott für ,mich‘ Gott sein muss“. Zentral war für ihn die Selbsterkenntnis des Menschen als Sünder, die mit dem Urteil Gottes über ihn übereinstimmt. Die Kirche und die Sakramente spielten dagegen nur eine nachgeordnete Rolle.
Der protestantische systematische Theologe Thorsten Dietz (Marburg) stellte die Bedeutung der „Furcht“ bei Augustinus und Luther vor. Augustinus habe im Verhältnis des Einzelnen zu Gott unterschieden zwischen dem timor servilis (knechtische Furcht) und dem timor filialis (kindliche Furcht). Während die kindliche Furcht von der Liebe zu Gott bestimmt ist, liegt der knechtischen Furcht die Angst vor der Bestrafung durch Gott zugrunde. Die „knechtische Furcht“ habe Augustinus manchmal als schlecht bezeichnet, in anderen Texten aber als insofern nützlich für das Heil, als sie „eine Gewöhnung an die Gerechtigkeit“ mit sich brächte, und sich zu einer guten „kindlichen Furcht“ weiterentwickeln könnte. „An sich gut“ war die knechtische Furcht für Augustinus aber nicht. In der mittelalterlichen Theologie habe sich dann unter Betonung des Entwicklungsgedanken eine Aufwertung der knechtischen Furcht vollzogen. Nun galt auch die Furcht vor der göttlichen Strafe als eine Gabe des Heiligen Geistes, die wurzelhaft in sich schon die kindliche Furcht enthalte. Luther kehrte demgegenüber zunächst zur augustinischen Unterscheidung zwischen guter und schlechter Furcht zurück. In der weiteren Entwicklung seines Denkens ging er über Augustinus dann hinaus, indem er der knechtischen Furcht keinerlei Heilsbedeutung mehr zubilligte. In der berühmten Leipziger Disputation mit dem Katholiken Johannes Eck vollzog Luther schließlich eine scharfe Abgrenzung von Augustinus. Zu den ihm von Eck vorgehaltenen Äußerungen Augustins, nach denen die Furcht vor Strafe eine Gewöhnung an die Gerechtigkeit bewirken könne, bemerkte Luther, bei der Furcht vor Strafe handle es sich vielmehr um „eine Gewöhnung, zu verzweifeln und Gott zu hassen“.
Quelle: © ‹Die Tagespost – Katholische Zeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur› vom 23.05.2017, S. 6
Wir danken der Redaktion der Tagespost und ihrem Verlag J.W. Naumann für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung in unserem Webportal.
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Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Besucherinnen und Besucher des Augustinus-Studientags 2017 – oder muss ich sagen: des Luther-Studientages 2017? Wie auch immer: ich selbst darf Sie in jedem Falle als Wissenschaftlicher Leiter des Zentrums für Augustinus-Forschung an der Universität Würzburg begrüßen und Sie hier und heute ganz herzlich zu unserer Veranstaltung willkommen heißen – einer Veranstaltung, die zwischen Augustinus und Luther changiert und wohl gerade dadurch ihren ganz speziellen Reiz gewinnt. Ich freue mich, dass unser solcherart schillernder Studientag offenbar genug geistigen Glanz vorausgeworfen hat, um die Zahl der Anmeldungen in den letzten Tagen knapp über die Grenze zur Dreistelligkeit zu treiben. Unter den Anmeldungen wie auch beim Blick in Ihre Reihen habe ich dabei so einige Amts- und Würdenträger – vulgo: VIPs – ausmachen können, die ich als Vertreter kirchen- und gesellschaftstragender Funktionen in besonderer Weise begrüßen darf; bitte sehen Sie mir nach, dass ich Sie nicht namentlich ehre, sondern es bei einer Blanko-Begrüßung bewenden lasse: tempus fugit!
Angesichts der Luther-Thematik wäre es ohnehin unpassend, auf Grundlage der quantitativ und qualitativ mehr als beachtlichen Besucherschaft nun eine ‹theologia gloriae› unseres Studientages zu errichten und das hohe Lied des Erfolgs anzustimmen. Indes: eine kurze Reflexion auf die Gründe für ein solch erfreuliches Publikumsinteresse ist an dieser Stelle wohl nicht nur erlaubt, sondern vielleicht sogar geboten, gibt sie mir doch Gelegenheit zur Danksagung. Gut augustinisch und gut lutherisch möchte ich nämlich im Namen des Zentrums für Augustinus-Forschung all jenen gegenüber ‹gratias agere› – meinen Dank zum Ausdruck bringen –, die zum Glänzen des heutigen Tages beigetragen haben und beitragen werden: vor allem den Referierenden, die zur internationalen Crème de la crème der Forschung zum Verhältnis Augustinus/Luther gehören, sodann der Domschule und dem Alexander-Schröder-Haus für ihre logistische, organisatorische, finanzielle und nicht zuletzt menschlich-atmosphärische Unterstützung, schließlich den Kooperationspartnern unseres ZAF aus den Reihen der universitären Lehrstühle sowie, nicht zu vergessen, den vielen hilfreichen Händen hinter den Kulissen, derer eine solche Veranstaltung zu ihrem Gelingen bedarf: schon vorab Ihnen allen ein herzliches Gott Vergelt’s!
Zuvörderst freilich verdankt sich der rege Zuspruch für unsere diesjährige Studientags-‹Aufführung› wohl den beiden ‹Hauptdarstellern›: den beiden ‹Kirchenvätern› Augustinus von Hippo und Martin von Wittenberg. Nachdem sich das katholische Verhältnis zu Luther in den letzten Jahrzehnten doch merklich entspannt hat und insofern Luther rein empirisch betrachtet mit Sicherheit ein Mitbegründer von ‹Kirche› und eine Kapazität der Theologie war und ist, dürfte es kein Skandalon darstellen, das Epitheton ‹Kirchenvater› nicht nur auf den Mann aus Hippo, sondern auch auf den Mann aus Wittenberg anzuwenden und dadurch eine gewisse Kongenialität dieser beiden Gestalten und Gestalter zu unterstreichen. Diese hier zunächst behauptete und im Laufe des Tages näherhin nachzuweisende Kongenialität ist es auch, die die Veranstalter des heutigen Studientages ermutigt hat, die Legion der Luther-Gedenkveranstaltungen im derzeitigen Jubiläumsjahr um eine weitere Tagung zu vermehren und mit unserem Augustinus an der Spitze unter das großzügig angelegte Dach der Veranstaltungsreihe ‹Rechtfertigung 2017: Erinnern – Vergegenwärtigen› zu ziehen. Unter dem komfortablen Schutz und Schirm dieses Daches, das Domschule und Schröderhaus Würzburg gemeinsam errichtet haben, durften denn auch die Gäste vom Zentrum für Augustinus-Forschung ihr warmes Plätzchen finden.
Freilich kommen wir Gäste nicht mit leeren Händen zu den geschätzten Gastgebern, sondern führen als geistig-geistliche Gabe die Theologie Augustins mit uns, die dem Leitthema der beiden Würzburger Bildungshäuser – ‹Rechtfertigung 2017› – eine entscheidende ‹Erinnerungs›-Dimension hinzufügen dürfte, ist doch Luthers theologischer Paradigmenwechsel ohne vorauslaufende und von Luther vergegenwärtigte augustinische Impulse schwer vorstellbar. Nebenbei stützen wir ‹Augustinisten› die dezidiert ökumenische Konstruktion und Realisierung des thematischen Dachs ‹Rechtfertigung 2017› mit einer bewährt tragfähigen ‹Säule›: Denn ebenso wie katholische und reformatorische Theologien und Kirchen sich gleichermaßen in nicht wenigen Teilen ihrer Theorie und Praxis auf Augustinus und seine Lehren berufen, so vermag diese Autorität Augustins postum die mit dem Ende des Mittelalters zerstrittenen und geschiedenen Geschwister von ihren gemeinsamen Wurzeln her zusammenzuhalten, vielleicht sogar zu einem mutigeren Zusammenwachsen zu bewegen: Augustinus ist auch in diesem Sinne ein echter ‹Kirchen-Vater›, indem er seine zwei entfremdeten Kinder wieder an einen gemeinsamen runden (Familien‑)Tisch ruft – hoffentlich auch einmal an einen gemeinsamen eucharistischen Tisch.
Vor diesem weitgespannten theologischen und ekklesialen Hintergrund wollen wir uns nun hier und heute speziell der Frage widmen, in welchem Verhältnis denn nun näherhin Luther und Augustinus standen und stehen. Diese Frage lässt sich indes, wie es für die meisten geschichtlichen – insbesondere rezeptions- und wirkungsgeschichtlichen – Problemstellungen gilt, nicht ohne Analyse der Details und nicht ohne Differenzierung unterschiedlicher Bereiche beantworten. Unser Studientag lässt es folgerichtig nicht bei einer einzigen Antwort bewenden, sondern präsentiert fünf Antwortenskizzen mit unterschiedlichen Perspektiven. Diese breit gefächerte Perspektivik vermag gleichwohl noch keineswegs die gesamte Komplexität der Thematik abzudecken – von dieser Komplexität zeugt bereits ein Blick auf die Vielzahl von diesbezüglichen Publikationen –, aber immerhin erhellende Schlaglichter auf sie zu werfen. Um diese Schlaglichter nicht allzu erratisch erscheinen zu lassen, erlauben Sie mir vorab einige kurze und eher laienhafte Bemerkungen zu dem quasi empirischen Befund, wo und wie Luther im Laufe seines bewegten Lebens auf Augustinus und seine geschichtlichen Spuren gestoßen ist und in welcher Weise er sich mit diesen Spuren auseinandergesetzt hat. Durch sein Studium mit dem ursprünglichen Ziel einer Juristenlaufbahn nach Erfurt gekommen, trifft Luther hier auf eine Niederlassung der Augustiner-Eremiten und tritt nach religiösen und akademischen Selbstfindungsprozessen am 17. Juli 1505 in den Orden ein. Spirituell und theologisch wird Luther in den nächsten Jahren stark vom Orden geprägt, 1512 wechselt er als Professor für Bibelexegese an die Reformuniversität Wittenberg, deren Patron Augustinus war und an der die Augustiner eine festgeschriebene Lehrdomäne innehatten. Die Lektüre und Interpretation der paulinischen Briefe an die Römer und an die Galater, nicht zuletzt aber auch der für deren Hermeneutik entscheidenden augustinischen Schrift De spiritu et littera führten Luther zu einem gegenüber dem großkirchlichen main stream inversen Verständnis von göttlicher Gerechtigkeit. Diesem Verständnis zufolge, das Luther nicht nur rational, sondern in Form des sogenannten ‹Turmerlebnisses›, vermutlich im Jahr 1518, auch existenziell frappiert, besteht die Gerechtigkeit Gottes in erster Linie nicht im Richten, sondern im Rechtfertigen des Sünders. Hier vollzieht sich in den gnadentheologischen Spuren Augustins ein für die Reformation wegweisender Perspektivenwechsel mit erheblichen soteriologischen und ekklesiologischen Konsequenzen – Stichwort: Ablass –, der Luther zunehmend in Opposition zur Römischen Kirche brachte. Nachdem der Ordensobere Staupitz ihn bereits 1518 von seinem Gelübde entbunden hatte, legt Luther schließlich am 9. Oktober 1524 seinen Augustiner-Habit ab – freilich ohne die Prägung durch die augustinische Gnadentheologie abzulegen: vielmehr ganz im Gegenteil.
Die Forschungen zum Einfluss von Augustinus auf Luther lassen trotz aller Gewichtungsdifferenzen drei bedeutende Wirkungsachsen erkennen: 1. Luther ist stark und bleibend von der Spiritualität und Theologie des Augustinerordens her geprägt; 2. er rezipiert eine im Spätmittelalter innerhalb wie außerhalb des Ordens keimende anti-pelagianische Theologie – bei Betonung der alleinigen Letztmacht der göttlichen Gnade im Erlösungsgeschehen; 3. er studiert unmittelbar und teilweise intensiv eine größere Zahl von Werken Augustins – zunächst eher sporadisch, später auch systematisch –, vor allem Schriften exegetischer und gnadentheologischer Natur. Dabei leistete ihm die ab 1506 in Basel erschienene erste Gesamtausgabe Augustins von Amerbach, Petri und Froben nachweislich wertvolle Dienste. In Parenthese: Der Verlag dieser drei aus Franken in die Schweiz eingewanderten Herausgeber und Drucker besteht als weltweit ältester bis auf den heutigen Tag und gibt derzeit das Augustinus-Lexikon und die elektronische Gesamtausgabe Corpus Augustinianum Gissense heraus – wie, wenn nicht klein, so doch vernetzt die augustinische Welt ist!
Ab den 1520er Jahren wird Luthers direkte und explizite Verarbeitung von augustinischen Schriften seltener; auch geht Luther nunmehr souveräner, bisweilen kritischer mit dieser theologischen Autorität um. Unbenommen freilich bleibt dabei Luthers Verbundenheit mit Augustinus als dem ‹doctor gratiae›, der dem reformatorischen Impetus zur Initialzündung verhalf und ihn über längere Wegstrecken hin mit theologischem Zündstoff und Treibstoff versorgte.
Meine lieben Zuhörerinnen und Zuhörer, ich freue mich, dass wir uns heute zu dieser – wie ich meine – in vielerlei Hinsicht höchst reizvollen Veranstaltung zusammengefunden haben und diesen Tag gemeinsam verbringen und gestalten dürfen. Jawohl: auch gestalten! Denn ohne Ihre gespitzten Ohren beim Zuhören, Ihren wachen Kopf beim Mitdenken und Ihren frischen Mut beim Diskutieren bleiben Augustins und Luthers Schriften tote Buchstaben. Sie und wir alle sind berufen, das geronnene Leben, den geronnen Geist, aus diesen Buchstaben herauszulesen und wieder neu in sie hineinzulegen – ganz getreu der Losung der Veranstaltungsreihe, in die wir den Augustinus-Luther-Studientag zum allseitigen Nutzen und Frommen einfügen: ‹Erinnern und Vergegenwärtigen›! Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
P R O G R A M M
9-9.30 Uhr: Christof Müller (Würzburg)
Begrüßung und Einführung9.30-10.30 Uhr: Markus Wriedt (Frankfurt)
Das Siegel der Orthodoxie
Augustin und seine Bedeutung für die spätmittelalterliche Theologie11-12 Uhr: Gabriele Ziegler (Münsterschwarzach)
Luther und die Mönchsväter12-13 Uhr: Christoph Burger (Amsterdam)
Luthers Inanspruchnahme Augustins13-15 Uhr: Mittagspause
15-16 Uhr: Christian Danz (Wien)
Der unfreie Wille
Augustin und Luther über göttliche Gnade und Freiheit des Menschen16-17 Uhr: Thorsten Dietz (Marburg)
„Furcht“ bei Augustinus und bei Luther17-18 Uhr: Empfang
Das Zentrum für Augustinus-Forschung e.V. und der Lenkungsausschuss von ZAF und Universität Würzburg laden Sie zu diesem Studientag mit anschließendem Empfang herzlich ein.
Prof. DDr. Christof Müller
Wissenschaftlicher Leiter des ZAFProf. Dr. Michael Erler
Vorsitzender des LenkungsausschussesDr. Dr. h.c. (UCC) Adolf Bauer, Bürgermeister
Vorsitzender des ZAF e.V.Ort: Burkardushaus, Am Bruderhof 1, 97070 Würzburg
Teilnahme: gebührenfrei
Anmeldeschluss: 8. Mai 2017Anmeldung & Kontakt
Zentrum für Augustinus-Forschung an der Universität Würzburg
Dominikanerplatz 4
D-97070 Würzburg
Tel.: 0931/3097-305
Fax: 0931/3097-304
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