ZENTRUM FÜR AUGUSTINUS-FORSCHUNG

AN DER JULIUS-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT WÜRZBURG

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Fecisti nos ad te, domine, et inquietum est cor nostrum donec requiescat in te.

Confessiones 1,1

Geschaffen hast du uns auf dich hin, o Herr, und unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir.

Bekenntnisse 1,1

12. AUGUSTINUS-STUDIENTAG 2014

 

Kommunikation und Publikation
Zu Form und Funktion des Briefes in paganer und christlicher Antike

Universität Würzburg, Institut für Klassische Philologie
Würzburger Residenz, Südflügel, 3. Stock
Freitag, 7. Juni 2014

  • Protokoll und Selbstoffenbarung

    Der 12. Studientag des Würzburger Zentrums für Augustinusforschung beschäftigt sich mit der Form und Funktion des Briefs in der Antike. Ein Bericht der überregionalen katholischen Zeitung Die Tagespost vom 31. Mai 2014. Von Clemens Schlip

    Würzburg (DT) Dass der heilige Augustinus ein großer Schriftsteller war, ist weithin bekannt. Seine „Bekenntnisse“ und sein „Gottesstaat“ finden bis heute viele Leser. Weniger bekannt ist die umfangreiche Korrespondenz des Kirchenvaters, der auch ein großer Briefschreiber war: Mehr als dreihundert Briefe von und an Augustinus sind heute noch erhalten, wichtige historische Dokumente und aufschlussreiche Zeugnisse für das Denken Augustins und sein geistiges Umfeld. Mit diesem Teil des Werkes des Kirchenvaters beschäftigte sich der 12. Würzburger Augustinus-Studientag, den das „Zentrum für Augustinus-Forschung an der Universität Würzburg“ unter dem Titel „Kommunikation und Publikation. Zu Form und Funktion des Briefes in paganer und christlicher Antike“ veranstaltete. Die durchgängig gut besuchte Veranstaltung fand dieses Jahr in der Bibliothek des Instituts für Klassische Philologie in der Würzburger Residenz statt. Insgesamt fünf Referenten aus der Klassischen Philologie und der Katholischen und Evangelischen Theologie beleuchteten relevante Aspekte der auch zum Verständnis der augustinischen Epistolografie wichtigen antiken Brieftheorie und leisteten Beiträge zu einer verständigen Interpretation des augustinischen Briefcorpus.

    Der Würzburger Gräzist Michael Erler kontrastierte in seinem Vortrag die Antike Brieftheorie, die Briefe als Spiegel der Seele betrachtete, mit modernen literaturwissenschaftlichen Theorien, die eine strikte Trennung zwischen dem realen Ich des Autors und dem „Ich“ seines Textes vollziehen. Erler warnte vor der Übertragung dieser modernen Konzepte auf antike Texte. Anhand literarischer Zeugnisse zeigte er, dass Leser in der Antike das in einem Text auftretende „Ich“ und den realen Autor nicht trennten. Charakteristisch für die Antike sei die Erwartung gewesen, aus einem Text auch die Persönlichkeit des Autors zu erkennen.

    Einen Blick auf den Beginn der spezifisch christlichen Briefliteratur in den Schriften des Paulus warf der katholische Neutestamentler Thomas Johann Bauer (Erfurt) in seinem Vortrag über „Form und kommunikative Funktionen paulinischer Briefe“. Bauer stellte die eigentümliche Form und die verschiedenen Typen der paulinischen Briefe vor, und zeigte zugleich, dass auch der paulinische Brief in der Tradition der antiken Brieftheorie steht. Ähnlichkeiten ließen sich vor allem zum philosophischen Lehrbrief feststellen.

    Mit der „Appellfunktion des augustinischen Freundschaftsbriefs“ beschäftigte sich der Züricher klassische Philologe Raphael Schwitter. Der Nachwuchswissenschaftler zeigte auf, dass es in der Antike zwei Arten von Freundschaftsbriefen gab: die erste Gruppe beschränkte sich auf Höflichkeitsbekundungen und diente nur der Beziehungspflege, die andere stand auch inhaltlichen Auseinandersetzungen offen. Augustins erhaltene Freundschaftsbriefe seien der zweiten Gruppe zuzurechnen, und näherten sich in manchem dem Lehrbrief an. Der augustinische Freundschaftsbrief sei ein Medium religiöser Belehrung gewesen. Die in den Briefen verwendeten Freundschaftstopoi bekräftigten den Appellcharakter der Schreiben. Briefe, die nur der reinen Beziehungspflege dienten, seien uns von Augustinus nicht erhalten. Der bloße Austausch nichtssagender Höflichkeiten war offensichtlich nicht die Sache des Kirchenvaters und gegenüber Briefpartnern, die eine solche Korrespondenz wünschten, konnte er sich schroff abweisend zeigen.

    Nicht alle Briefpartner Augustins waren über Augustins Präferenz für eine von Sachdiskussionen beherrschte Korrespondenz glücklich. Der Kirchenvater Hieronymus etwa schlug Augustinus vor, in ihrem Briefwechsel künftig keine theologischen Fragen mehr zu behandeln, sondern sich auf wechselseitige Freundschaftsbekundungen zu beschränken. Da der Nordafrikaner dies ablehnte, brach die Korrespondenz der beiden daraufhin für mehrere Jahre ab.

    Der evangelische Kirchenhistoriker Winrich Löhr (Heidelberg) demonstrierte am Beispiel Augustins „Die Schwierigkeiten und Grenzen brieflicher Kommunikation in der Spätantike“. Nach einem kurzen Überblick über die rein praktischen Schwierigkeiten, mit denen antike Briefschreiber zu kämpfen hatten – vor allem dem Fehlen eines verlässlichen Übermittlungssystems – behandelte Löhr anhand des Beispiels der Auseinandersetzung des Bischofs Augustins mit Vertretern häretischer Glaubensrichtungen (Arianer, Donatisten) die Schwierigkeiten, die sich ergaben, wenn die Gegenseite sich grundsätzlich kommunikationsunwillig zeigte.

    Für die unterschiedliche Kommunikationshaltung des Kirchenvaters und der Vertreter der häretischen Gruppen war es charakteristisch, dass Augustinus stets eine schriftliche (stenografische) Festhaltung seiner öffentlichen Debatten mit den Häretikern wünschte, um belastbare Zeugnisse für die Glaubensirrtümer der Gegenseite zu haben und auch, um die Überlegenheit der eigenen Argumentation vor der Öffentlichkeit aufzeigen zu können. Auch durch seine öffentliche Briefkorrespondenz mit Vertretern der Gegenseite versuchte er, in diesem Sinne „Belastungsmaterial“ zu gewinnen. Seine häretischen Gegner versuchten demgegenüber eine schriftliche Niederlegung ihrer Positionen möglichst zu vermeiden, und wehrten sich daher etwa bei öffentlichen Disputen gegen die von Augustinus gewünschte stenografische Mitschrift.

    Besonders die Donatisten verweigerten sich oft dem von Augustinus gewünschten Austausch über Glaubensfragen durch briefliche Korrespondenz und Disputationen. Eine noch ausstehende Aufgabe der Forschung ist die wissenschaftliche Erschließung und Kommentierung des gesamten augustinischen Briefcorpus. Der Würzburger Latinist Christian Tornau demonstrierte anhand des Briefwechsels Augustins mit dem heidnischen Priester Longinianus beispielhaft die hierfür anzuwendende Methodik. Die Wichtigkeit dieses Briefwechsels sah Tornau nicht zuletzt darin, dass die Leser hier einmal erführen, wie ein Heide selbst seine Spiritualität auffasste. Gegenüber anderen Forschungsmeinungen hob er hervor, dass wir über die Person Longinians nichts Genaues wüssten. Der Würzburger Latinist wies auf, dass der Briefwechsel von beiden als Lehrer-Schüler-Dialog nach dem Muster des sokratischen Dialogs aufgefasst wurde, wobei sich der Heide dem Bischof gegenüber in die Schülerrolle begab. Er zeigte die dialektische Strategie auf, mithilfe derer Augustinus den Heiden für den christlichen Glauben zu gewinnen versuchte: So vermied Augustinus ausgesprochene Polemik gegen die heidnischen Götter und religiösen Riten. Andererseits wies Tornau auf die geschickten rhetorischen Mittel hin, mit denen Longinianus sich den Bekehrungsbemühungen Augustins zu entziehen versuchte. Ob es wirklich zu einer Bekehrung des Longinianus kam, sei daher zweifelhaft.

    Clemens Schlip

    © ‹Die Tagespost - Katholische Zeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur› vom 31.05.2014, Seite 5

    Wir danken dem Verlag J.W. Naumann für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung in unserem Webportal.

  • KOMMUNIKATION UND PUBLIKATION
    Zu Form und Funktion des Briefes in paganer und christlicher Antike

    Veranstalter: Zentrum für Augustinus-Forschung (ZAF) an der Universität Würzburg (Leitung C. Müller)
    in Verbindung mit den Instituten für Gräzistik (M. Erler), Kirchengeschichte des Mittelalters und der Neuzeit (D. Burkard), Latinistik (C. Tornau) und Philosophie (K. Mertens/J. Müller)

    Freitag, 23. Mai 2014,
    9–13 Uhr und 15–18 Uhr,
    Griechisch-Bibliothek in der Würzburger Residenz
    (Residenzplatz 2A, Südflügel, 3. Stockwerk – siehe Wegbeschreibung)

    Parkmöglichkeit: Per PKW anreisenden Besuchern wird empfohlen, den (gebührenpflichtigen) Parkplatz der Residenz zu nutzen (Daten fürs Navi: 97070 Würzburg, Residenzplatz 2).

    P R O G R A M M

    9.00-9.30 Uhr CHRISTOF MÜLLER, ZAF
    Begrüßung und Einführung

    9.30-10.30 Uhr MICHAEL ERLER, Würzburg
    «per ... chartulas loquitur» (Aug. ep. 84,1)
    Antike Brieftheorie und die ‹Methode des Chamaileon›

    – Kaffeepause –

    11.00-12.00 Uhr THOMAS JOHANN BAUER, Erfurt
    Form und kommunikative Funktionen paulinischer Briefe

    12.00-13.00 Uhr RAPHAEL SCHWITTER, Zürich
    ‹Litterae caritatis› oder versteckte Lehrepisteln?
    Zur Appellstruktur des augustinischen Freundschaftsbriefs

    – Mittagspause –

    15.00-16.00 Uhr WINRICH LÖHR, Heidelberg
    Die Schwierigkeiten und Grenzen brieflicher Kommunikation in der Spätantike – das Beispiel der Korrespondenz Augustins

    16.00-17.00 Uhr CHRISTIAN TORNAU, Würzburg
    Der Briefwechsel Augustinus – Longinianus:
    Auf dem Wege zu einer Kommentierung des augustinischen Briefcorpus

    – Anschließend Empfang –

    Das Zentrum für Augustinus-Forschung e.V. und der Lenkungsausschuss von ZAF und Universität Würzburg laden Sie zu diesem Studientag mit anschließendem Empfang herzlich ein.

    Prof. DDr. Christof Müller
    Wissenschaftlicher Leiter des ZAF

    Prof. Dr. Michael Erler
    Vorsitzender des Lenkungsausschusses

    Dr. Adolf Bauer, Bürgermeister
    Vorsitzender des ZAF e.V.

    Anmeldung & Info

    Zentrum für Augustinus-Forschung
    an der Universität Würzburg
    Dominikanerplatz 4
    D-97070 Würzburg
    Tel.: 0931/3097-305 bzw. -300
    Fax: 0931/3097-304
    E-Mail: cmueller [at] augustinus.de

    LITERATUREMPFEHLUNG

    JOHANNES DIVJAK/RED.: Artikel «Epistulae», in: Augustinus-Lexikon 2 (1996-2004) 893-1057

    Ausführliche Bibliographie unter www.augustinus.konkordanz.de , Referenz: ep.;